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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange
Autoren: Altmann Andreas
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umgebaut wurde. Die 21 schienen so beliebt, dass sie vor dem Liebesrausch des Volkes geschützt werden mussten. Per Beton-Paravents, Stacheldraht-Tonnen, Hubschrauberstaffeln, Kriegsflotten, Scharfschützen, Hunde-Armeen, Polizei-Armeen, Panzer-Limousinen und ein paar Hundert eigens eingeflogenen under-cover-agents . Um sicherzugehen, dass die Liebe nicht überhandnimmt.
    Nun das Gelächter, das in alle fünf Kontinente übertragen wurde. Was war passiert? Zur Vorgeschichte: ABC , die öffentliche Fernsehanstalt, produziert wöchentlich eine Satire-Sendung unter dem Namen The Chaser's War on Everything, des Jägers Krieg gegen alles. Anspielung auf den inflationären Umgang des Wortes »war« (Krieg) in der amerikanischen Politik. War on hunger, war on drugs, war on crime, war on terror , eben war on everything . Es scheint kein anderes Rezept zu geben, um mit Konflikten fertig zu werden. Es gibt nur Bombenhagel und Friedhöfe. Und lauter verlorene Kriege.
    Diesmal gelingt der Crew eine Sensation. Mit Witz und Chuzpe, mit Fantasie. Und völlig unbewaffnet. Sie mietet drei schwarze Straßenkreuzer, steckt drei kanadische Flaggen drauf, verkleidet zwei Mann als Polizisten auf Motorrädern und fährt los. Und – noch unfassbarer – wird vom hochbezahlten, hochmotivierten und hochgerüsteten Hightech-Personal durchgewunken, eingelassen in die security red zone , ins Hoheitsgebiet, jenes Quadrat, wo jeder Blumentopf schon dreimal gescannt wurde. Und kommt, in cold blood , bis nahe an Bush's Intercontinental-Hotel heran. Und eine Bombe, eine Bomben-Blamage wird gezündet: Einer der elf Beteiligten entsteigt dem zweiten Wagen und winkt kostümiert als – ja als wer? – als OSAMA BIN LADEN in die Kameras der Weltpresse.
    Ein Geniestreich, Tyl Ulenspiegel in Down Under, Australien bebt vor Lachen, der Polizeichef kocht vor Wut, die vorgeführten Politiker schäumen. Nichts hilft, ihr Geifer verrät, dass sie sich als Popanze und manisch besessene Sicherheits-Freaks, gar erfolglose, ertappt fühlen. Ich gehe in die ABC -Zentrale und schaue mir ein Dutzend Mal die Szene an. Man will veitstanzen vor Amüsement. Weil man Zeuge wird, wie Leichtsinn und Frechheit die Kraftmeiereien einer Weltmacht in die Knie zwingen. Immerhin eine halbe Stunde lang. Egal, die Frist genügte, um zu beweisen, dass noch andere Umgangsformen möglich sind als Hass und wieder Hass. 1000 Punkte für Sydney, 1000 Punkte für ein Fernsehprogramm, das zum Auslachen und Nachdenken verführt.
    Das ist mein letzter Nachmittag, rechts das blaue Meer, oben der blaue Himmel. Ich wandere durch den paradiesischen Hyde Park zum Kings Cross, will nur schauen, niemanden mehr treffen und ausfragen, will mir einen ersten freien Tag gönnen, einen ersten freien halben. In einer schmalen Nebenstraße, ein paar Ecken weg von den Nutten und Kaputten, stehen ein paar Bäume auf dem Trottoir. Ich setze mich, lehne mich an eine Kastanie, rauche, bin nichts als ein glücklicher Mensch.
    Bis sich schräg gegenüber die Balkontür einer kleinen Villa öffnet. Rein zufällig habe ich sie bereits im Blick, sehe deshalb den leicht überraschten Ausdruck im Gesicht der Frau, die jetzt heraustritt. Wahrscheinlich sitzt nicht jeden Tag ein Wildfremder unter dem Baum. Drei, vier Sekunden dauert der Augenblick. Bis sie sich abrupt abdreht und die Tür hinter sich schließt.
    Wie dunkle Schlangen fiel ihr Haar auf die Schultern. War es dieser Blick, den ich so gut aus Paris kenne, dieser Blick einer Schönen, in deren Nähe Männer nur als Staffage auftreten? Die einzig den Augenkontakt sucht, um sich ihrer Stärke, ihrer Vehemenz zu versichern? Schau, wie wunderschön ich bin! Die immer wieder wissen, ja genießen will den Anblick einer Niederlage, einer stummen Ergebung vor ihr, die aussieht wie keine weit und breit?
    Während ich noch immer das Haus betrachte, fällt mir ein Lied ein, das ich vor Wochen auf der Reise im Radio gehört habe. Es war Tage, nachdem jemand Preverts Gedicht Rappelle-toi Barbara vorgelesen hatte, und ich noch dachte, dass es im australischen Rundfunk einen frankophilen Verrückten geben muss. Ein altes Chanson wurde gespielt, neu interpretiert von Francis Cabrel, einem Star in Frankreich: Les Passantes . Da ist die Rede von einem anderen flüchtigen Blick zwischen Mann und Frau, einem anderen Moment der Innigkeit. Jenem, dem alle, aber
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