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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange
Autoren: Altmann Andreas
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bezahlt von der australischen Regierung.
    Ruhige Überfahrt, abgesehen von einem Verrückten, der sie, Gisela, nachts in der Kabine besuchte und ankündigte, gemeinsam mit seinen Kumpanen den Dampfer zu kapern. Und verschwand. Sodass die Verschreckte Paul weckte und von dem Zwi-schenfall berichtete. Paul meinte »du spinnst« und schlief weiter. Der Verrückte kam wieder, und diesmal wurde er verhaftet. Und in Perth umgehend deportiert, back home . Die Behörden wollten strebsame Deutsche, keine durchgeknallten.
    Deutschland fehlt nicht, sagt sie. Und fehlt doch. Kein Wort des Undanks gegenüber Australien kommt ihr über die Lippen. Friedlich sei es, blau, wenig Nazis, hilfsbereit, immer gut gelaunt. Und genau da liegt das Problem. Rastlos Gutgelaunte können nerven wie ausdauernd Depressive. Ab und zu will man sie über den Haufen schießen. So schwer erträgt man das Fehlen jeglicher Abgründe und Widersprüche. Irgendwann will man den Nachbarn nicht mehr als grinsenden Pappkameraden kennenlernen, sondern als einen, der noch mehr in seinem Hirn abspeichert als die letzten Rubgy-Ergebnisse. Missis Lutz preist ihre Mitbewohner im top gepflegten Seniorenheim für die lebensleichte Nonchalance, die sie an den (an jeden) Tag legen. Und zugleich geht ihr die Geistlosigkeit auf die Nerven, das »no worries«-Getue, der Sportwahn, genauer, der Sportergebnisse-Wahn, die hartnäckige Bereitschaft, jedem Buch aus dem Weg zu gehen. So bleibt sie ziemlich isoliert. Das sind die Augenblicke, in denen sie von Europa träumt, sich als Europäerin fühlt. Ich untersage mir den Einwurf, dass ich an eine spezifisch australische Dummheit nicht glaube und standhaft überzeugt bin, dass die Geistesarmut weltweit ihr Unwesen treibt. Denken ist kein Massensport, nirgends.
    Aber die Ex-Deutsche ist nicht bitter, bleibt dabei, dass der Weg ans andere Ende der Welt der richtige war. Nur manchmal eben wünschte sie sich mehr intellektuelle Auseinandersetzung mit anderen. Deshalb liegen so viele Bücher herum. Als »ersatz«. Sie betont das deutsche Wort mit einem australischen Akzent. (Die englischsprachige Welt hat den Ausdruck inzwischen in ihr eigenes Vokabular aufgenommen.) Beim Abschied schlägt Gisela Lutz vor, mich per Auto zurück nach Wodonga zu bringen. Angenehme Fahrt direkt in die Abendsonne. Mittendrin sagt sie: »Das Leben ist schön.« Aus dem Mund einer 81-Jährigen klingt der Satz beachtlich.
    Noch ein Hinweis zum Thema. Vor Tagen stand im Sydney Morning Herald das Pamphlet eines Medienprofessors. Verhalten enerviert sprach er über die hiesige Buchproduktion, in der preisgekrönte Werke kaum eine Auflage von tausend Exemplaren erreichen, dafür das Total Wellbeing Book und Spotless (Anleitung zum fleckenlosen Haushalt) und die x-te Autobiografie eines Celebrity-Hanswursts (der für alles berühmt sein mag, nur nicht für aufschreibenswerte Gedanken) wie all der in Bestzeit zusammengeschmierte Nonsense Rekordzahlen erreichen.
    Auf zur vorletzten Station, nach Canberra (sprich Cänberra). Ein freundlicher Mensch chauffiert den Greyhound. Nach den ersten Kilometern kommt über Lautsprecher die Nachricht: »I'll put something light on to make you feel good.« Das klingt vielversprechend, klingt nach Dick und Doof oder John Cleese oder Groucho meets Woody, eben Zeitgenossen, die uns dazu animieren, den Irrsinn der Zeitläufte mit lauthalsem Gelächter zu ertragen. Seltsamerweise legt der Mann eine DVD ein, auf der umgehend Leute tot umfallen. Reihenweise umgelegt. Unüberhörbar, seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat das Wort »leicht« eine neue Bedeutung verpasst bekommen. Würgern und Killern bei ihrer Lieblingsbeschäftigung zuzuschauen gilt als leichte Kost. Folglich – gnadenlos logisch – fühlen wir uns dabei »gut«. Rechnet man das hoch, geht es uns am Ende des Films bestens. Denn je mehr Leichen, desto gehobener die Stimmung. Endlich verstehe ich das Wort »Stimmungskanone«.
    Jetzt ist der starke Leser gefragt. Aber da muss er durch. Wie der Autor, der knapp drei Tage vor Ort standhielt. Wer behände liest, hat es nach knapp drei Minuten hinter sich. Canberra ist das Fadeste, was die Welt an Hauptstädten zu bieten hat. Und das Viereckigste, was Bürokraten imstande sind, auszuhecken. Wer das packt, ohne geistig und körperlich zu verfallen, der kann mit Gelassenheit in die Zukunft blicken.
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