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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation
Autoren: Jan Guillou
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hatte. Denn die Stärke des schwedischen Nachrichtendienstes - Auswertung offener Quellen sowie Nachrichtenspionage - war genauso leicht zu erkennen wie dessen Schwäche. Schweden fehlten kompetente field operators, Personal, das dem Feind draußen auf dem Feld die Stirn bieten konnte. Die Sicherheitspolizei oder die Polizei, wie der Alte sie abfällig nannte, hatte für mehr als den einen oder anderen politischen Flüchtling oder ein Gejammer in der Presse über die Hinterhältigkeit der Russen weder Zeit noch Interesse übrig. Im übrigen widmete man sich hauptsächlich der Aufgabe, linksorientierte Ausländer zu jagen; und das mit ganz besonderem Nachdruck, seitdem ein Polizeipräsident, ein meschugger Polizeipräsident, wie der Alte ihn nannte, sich in den Kopf gesetzt hatte, hinter dem Mord an Olof Palme stecke eine Verschwörung politischer Flüchtlinge kurdischer Nationalität.
    Damals, vor zehn Jahren, als sie sich zum erstenmal auf der Apfelplantage in Kivik getroffen hatten, war es leicht gewesen, Carl zu überreden. Der Staat würde eine fünfjährige Universitätsausbildung in San Diego bezahlen, Hauptfach elektronische Datenverarbeitung, während Carl gleichzeitig unter Wahrung vollständigen Stillschweigens verpflichtet wurde, sich auf der Sunset Farm ausbilden zu lassen; das ist ein sehr schöner Name für eine der grausamsten Ausbildungsanstalten der Welt, an der die amerikanische Bundespolizei und die US Navy eine sehr kleine und handverlesene Elite von field operators in Dingen ausbildete, die sich ein normaler schwedischer Nachrichtenmann nie vorstellen könnte.
    Carl war der Prototyp, das erste Exemplar dieser neuen schwedischen Waffengattung, und als Waffe war er ein sehr überzeugender Erfolg geworden. Und das wiederum hatte aus dem Blickwinkel des Alten den Vorzug, daß der Widerstand aus der konservativen Ecke in der militärischen Führung verstummt war. Zwei von Carls Nachfolgern, die der gleichen Operationsabteilung angehören sollten wie er selbst, befanden sich schon seit drei Jahren in Kalifornien.
    Soweit war alles gut. Es war ein Triumph für die Theorie des Alten, daß der Feind am Boden kontrolliert und bekämpft werden müsse, auch auf dessen eigenem Territorium, und nicht von den genormten Büroräumen des gewöhnlich nur zeitunglesenden offenen Nachrichtendienstes aus.
    Doch der operative Triumph hatte auch eine schwer zu bewältigende menschliche Seite. Carls Kampferfahrung hatte starke Spuren hinterlassen, nicht nur auf seinem Körper, dessen Wunden normal verheilt waren, sondern auch in seiner Seele. Und das war ihm anzusehen.
    Seine Schwierigkeiten hingen nicht greifbar mit dem etwas gewalttätigen Ende der ersten Operation zusammen, wie der Alte mit betonter Untertreibung die Konfrontation Carls mit vier israelischen Spezialisten in einer Villa in Täby beschrieb, die Carl bei einem Schußwechsel getötet hatte. Carls Selbstanklagen in dieser Hinsicht hatten vor allem damit zu tun, daß er zu spät gekommen war - denn die Israelis hatten zu diesem Zeitpunkt schon die meisten ihrer Opfer liquidiert.
    Hingegen kehrte Carl immer wieder von neuem auf das Ende des deutschen Unternehmens zurück. Er hatte - im Rahmen der gegenseitigen Amtshilfe von schwedischem und bundesdeutschem Sicherheitsdienst - ein halbes Jahr mit einer falschen Identität in der Bundesrepublik gelebt, und es war ihm gelungen, bis ins Zentrum der Terroristenorganisation RAF vorzudringen. Dann hatte er, wie beabsichtigt, die Männer der GSG 9 zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort geführt. Insoweit war alles in Ordnung gewesen.
    Nicht in Ordnung war gewesen, daß Carl sich einerseits hereingelegt fühlte, und andererseits, daß er sich selbst die Schuld an dem gab, was dann geschah. Die Deutschen hatten nicht geplant, wie er sich als Schwede ein wenig naiv vorgestellt hatte, die Terroristen einzufangen, um sie dann nach gut demokratischer Verfahrensweise vor Gericht zu stellen. Der deutsche Plan lief auf eine Art Endlösung hinaus, darauf, die Terroristen auszulöschen. Was auch geschehen war. In Anwesenheit Carls.
    Eine der RAF-Terroristen hieß Monika, und Carl behauptete, sie hätten einander nahegestanden, was vielleicht sogar den Tatsachen entsprach. Aufgrund einer bestimmten Mechanik des Handlungsablaufs hatte es der Zufall gewollt, daß ausgerechnet Carl sie erschossen hatte. Es war zwar in der denkbar besten Absicht geschehen, nämlich um einen französischen Kollegen zu schützen. Doch Carl
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