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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation
Autoren: Jan Guillou
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und Vorschriften des Dienstes berechtigt und sanktioniert.
    Der Sicherheitsdienst, das heißt die Sicherheitsabteilung der Reichspolizeiführung, jammerte schon seit mehreren Jahren über die Fahrten sowjetischer Fernlaster im Land. Diese LKWs traten auf sehr rätselhafte Weise in Erscheinung, hielten sich unangenehm oft auf kleinen Nebenstraßen auf, weit weg von den großen Überlandstraßen, in einigen Fällen sogar in der Nähe hochgesicherter militärischer Anlagen, und die allgemeine Hypothese lief darauf hinaus, daß hier militärische Spionage betrieben werde. Und diese zu bekämpfen, so wurde argumentiert, sei Sache der Polizei.
    Dieselbe Polizei hatte sich, von dem Gejammere in der Presse einmal abgesehen, jedoch nicht in der Lage gesehen, Fernlaster nach Belieben zu verfolgen. In dieser Hinsicht hatten sich sowohl knappe Haushaltsmittel als auch gewerkschaftliche Einwände gegen allzu viele Überstunden als entscheidend erwiesen. Vereinzelt, etwa bei Verkehrsunfällen, hatte die Polizei die Gelegenheit genutzt, einen der mit einem TIR-Schild versehenen Fernlaster zu öffnen, weil sie hoffte, beispielsweise funktechnische Anlagen zu finden. Es war jedoch nie gelungen, etwas Ungewöhnliches zu entdecken. Einigen ausländischen Quellen ließ sich entnehmen, daß man einige Fahrer auf frischer Tat ertappt hatte; sie hätten Brückenhöhen und ähnliches gemessen, was man im Zusammenhang mit Aufmarschplänen für Panzertruppen und motorisierte Infanterie sehen konnte. Jedoch fehlten Beweise jeder Art, und in einem demokratischen Land dürfen sogar Lastwagen mit der Aufschrift SOVTRANSAVTO in kyrillischer Schrift herumfahren, wo es ihnen beliebt.
    Als EDV-Mann verstand sich Carl besser auf die Software, das heißt auf die Kunst, Programme zu entwickeln und Programme zu deuten, als auf die Hardware, die Geräte. So konnte er etwa seine Stereoanlage nur mit Mühe selbst reparieren.
    Jedoch war es ihm relativ leicht gelungen, und zwar mit Hilfe von Zoll und Grenzpolizei, ein Programm zu erstellen, mit dessen Hilfe die sowjetischen Fernlaster ein Jahr lang beobachtet wurden, ihr Zeitplan, ihre verschiedenen Fahrer, ihr Gewicht bei Ein und Ausreise und ihre ungefähren Fahrtrouten.
    Die Schlußfolgerungen waren noch etwas unsicher und überdies wenig sensationell, da sie mit einer der üblichen Arbeitshypothesen übereinstimmten: Wie gewohnt mißtrauten die Russen offen zugänglichen Quellen. Wie gewohnt verwandten sie eine erstaunliche Mühe darauf, sich Informationen zu verschaffen, die sie in jeder normalen Buchhandlung hätten kaufen können, am leichtesten durch das Studium einer Straßenkarte des Königlichen Automobilklubs. Sie machten Belastungsproben, fuhren probeweise alternative Strecken ab, kontrollierten mit großem Einsatz sowohl die Telefonbücher wie die topografischen Karten des Generalstabs. Bei einem Vergleich - falls sie sich diese Mühe machten - würden sie herausfinden, daß diese öffentlich zugänglichen Angaben mehr als ausreichend waren. Sogar die Flugplätze des Landes finden sich auf Karten, die man in jeder Buchhandlung erstehen kann.
    Vermutlich hatte jeder Fahrer bei jeder Reise einen so begrenzten Aufgabenbereich, daß er für den Fall der Festnahme ohne schriftliche Notizen auskommen konnte, die nur unnötiges Aufsehen erregen würden. Auffallend war, daß etliche Fernlaster nach der Fahrt durch Schweden den Heimweg über die DDR wählten.
    Wenn man etwa Fernlaster von der Sowjetunion in die DDR fahren lassen will, darf man davon ausgehen, daß das schwedische Straßennetz besser ist als das polnische. Der Umweg über die Nordroute jedoch ist in jeder Hinsicht unwirtschaftlich, und überdies treiben die Devisenkurse die Kosten für diesen Umweg in astronomische Höhen.
    Carls Programm ergab die Tendenz, daß die Eindrücke einer halbjährigen Beobachtung sich bei fortgesetzter Ausspähung bestätigen würden.
    Damit ergab sich die entscheidende Frage, ob man mit Phase zwei beginnen sollte, was Carl empfahl.
    Phase zwei bedeutete, daß einzelne Fernlaster bei ihrem ersten Grenzübertritt nach Schweden mit einem Funksender versehen werden sollten. Soweit gab es keine Probleme.
    In technischer Hinsicht gab es jedoch zwei total verschiedene Möglichkeiten. Manche Funksignale lassen sich dazu verwenden, von verfolgenden Wagen und einigen vorherbestimmten Stationen aus die exakte Reiseroute diskret zu ermitteln. Ein anderer Typ von Funksender, der zwar sperriger war, jedoch ein Funksignal
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