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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht
Autoren: Barbara Nadel
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Augen immer noch feucht.
    »Ekrem und Celal sind zu mir gekommen«, begann sie. »Sie sagten, sie bräuchten mein Geschäft nicht mehr, deshalb hätten sie es weiterverkauft.«
    »Verstehe. Und hat die neue Familie schon Kontakt zu Ihnen aufgenommen?«
    »Nein. Aber …«
    »Aber Sie wollen, dass wir bei Ihnen auf sie warten, für den Fall, dass sie sich meldet.«
    Suzan Şeker blickte auf und verzog wütend das Gesicht. »Sonst werde ich nie frei sein! Sie haben Hassan in den Selbst mord getrieben! Ekrem Müren hat mich gezwungen, etwas Widerliches zu tun! Woher weiß ich denn, dass diese anderen Leute es nicht genauso machen werden?«
    İkmen seufzte. »Das können Sie nicht wissen.«
    »Ihre Leute haben die Familie, die den Palast benutzt hat, komplett zerschlagen. Sie haben Ali Müren getötet! Ehrlich gesagt hatte ich nie viel Vertrauen in die Polizei, aber Ihr Einsatz gestern Nacht hat mich überzeugt.«
    İkmen lächelte. Er wollte den Einsatz der vergangenen Nacht nicht mit ihr erörtern, sie jedoch auch nicht von einer Entscheidung abbringen, die ihr Leben verbessern und ihrem Bankkonto gut tun würde. Die arme Suzan Şeker hatte genug gelitten. »Diese widerliche Sache, die Sie erwähnten …«
    »Ich will nicht darüber reden!« Sie wandte sich ab und starrte aus dem Fenster.
    »Das werden Sie aber müssen, wenn der Fall vor Gericht kommt, Frau Şeker!«
    »Ekrem Müren hat mich gezwungen, ihm einen zu blasen!«
    Sie sah İkmen trotzig an, die Lippen schmal vor Empörung.
    »So!«
    İkmen rieb sich müde die Stirn. »Es tut mir schrecklich Leid, Frau Şeker. Aber ich musste fragen.«
    »Ich weiß.« Sie wischte sich die Augen und schwieg einen Moment, um ihre Fassung wiederzugewinnen. »Und was jetzt?«
    »Jetzt werde ich die Verhaftung von Ekrem und Celal Müren anordnen, unter der Voraussetzung, dass Sie bereit sind, gegen die beiden auszusagen. Ich werde sie verhören und den Namen der Familie in Erfahrung bringen, an die Ekrem Ihr Geschäft verkauft hat. Aber Sie müssen bereit sein, die Sache bis zum Ende durchzustehen, und auch die nicht immer angenehme Aufmerksamkeit in Kauf nehmen, die das Ganze für Sie und Ihre Familie mit sich bringen wird.« Er sah sie mit festem Blick an. »Überlegen Sie sich das gut.«
    »Das habe ich bereits getan«, erwiderte Suzan hitzig, »und ich bin fest entschlossen. Hassan war für diese Leute nichts weiter als eine Marionette, und als er es nicht mehr aushielt, hat er sich umgebracht! So möchte ich nicht enden, Inspektor. Ich möchte meinen Kindern kein Geschäft vererben, das mir eigentlich gar nicht gehört.«
    »Nein. Nein, natürlich nicht.« İkmen schaute auf seine Hände. Er war ganz benommen vor Müdigkeit. Die Frau hatte Mut. Mit ihrer Entscheidung nahm sie sowohl das Risiko von Einschüchterungsversuchen seitens der aserbaidschanischen Familie als auch die Schande einer öffentlichen Aussage in Kauf, dabei war der Anlass dafür in Wirklichkeit eine Lüge: Die Leute, die Ali Müren und die anderen getötet hatten, hatten nichts mit İkmen und seinen Männern zu tun. Er wusste nicht einmal, wer sie waren, er wusste nur, dass es ihnen gelungen war, diejenigen zu schützen, die das, was man Suzan Şeker angetan hatte, auf sehr viel höherer Ebene betrieben. Gute Gangster gegen böse Gangster, doch letzten Endes waren sie alle gleich. Er musste aufhören, ständig daran zu denken. Sonst ließ er sich womöglich noch zu unvorsichtigen Äußerungen und unklugen Handlungen hinreißen. Die Müren-Brüder wussten nichts über den Harem, aber der Tod Schiwkows und ihres Vaters hatte sie mit Sicherheit sehr verunsichert. Dies war ein ausgezeichneter Zeitpunkt, sie wegen Erpressung und sexueller Nötigung zu belangen.
    İkmen nahm den Telefonhörer von der Gabel und wählte eine Nummer. »Dann lassen Sie uns die Sache in Gang bringen«, sagte er, zog eine Zigarette aus der Packung und zündete sie an.
    Suzan Şeker lächelte.
     
    Zu behaupten, in Los Angeles gebe es viele Anwaltskanzleien, wäre so, als würde man sagen, in Istanbul gebe es ein paar Moscheen. Trotz all ihres Geldes, ihrer Macht und ihres Einflusses brauchen die Stars immer wieder Juristen, die sie vertreten, wenn ihr glamouröses Leben unerwartete oder unschöne Wendungen nimmt. Der Mann hatte es zu seinem Geschäft gemacht, die renommiertesten Anwälte zu kennen; er wusste, wo jeder von ihnen arbeitete, wohnte und joggte. Mit einigen von ihnen hatte er während der Arbeit an der Sivas-Sache sogar
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