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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten
Autoren: Veit Heinichen
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Signora Carli. Fluchtgefahr und Gefahr der Beweismittelvernichtung.«
    Der Anwalt sprang auf und hechtete zur Tür. Es schien, als hätte die kleinwüchsige Inspektorin nur auf diesen Moment gewartet. Mit zwei Schlägen jagte sie ihn zu Boden, blockierte blitzschnell seinen Arm auf dem Rücken und mit der anderen Hand sein Kinn. Sie brauchte keine Hilfe, nur Lorusso war aufgeschreckt.
    »Hat eigentlich niemand Handschellen in diesem Gebäude«, schimpfte Pina.
    »Nur keine Hektik«, sagte Marietta und wühlte in der zweiten Schublade von Laurentis Schreibtisch. Sie kannte deren Inhalt besser als ihr Chef.
    Pina bugsierte Galimberti zurück auf seinen Stuhl. »Versuchen Sie es bitte noch einmal, Avvocato«, säuselte sie sarkastisch. »Abgesehen davon, dass Sie sich im dritten Stock des Polizeipräsidiums befinden und der Weg in die Freiheit zu weit für Sie ist, täten Sie mir einen Riesengefallen.«
    »Was meinen Sie, Staatsanwalt, sollen wir ihn wegen des Goldraubs an die Sonderkommission weitergeben? Oder wollen wir zuvor die Lösung im Mordfall Spechtenhauser bekanntgeben?«
    Lorusso wischte sich die Stirn. »Behalten wir ihn hier.« Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. »Berufen Sie eine Pressekonferenz ein. Für die Abendnachrichten sind wir noch in der Zeit.«
    Die Lorbeeren würde sich in jedem Fall ein anderer anstecken. Laurenti war es fast gleichgültig, ob dies der Staatsanwalt war oder Untersuchungsrichter Malannino. Doch dann besann er sich, es war besser, wenn der Ruhm auf die Ermittler in Triest fiel, anstatt auf den famosen Spezialisten aus Rom, der über Sondervollmachten, aber nicht über konkrete Informationen verfügte.
    Die Hauptstadt dominierte ohnehin schon genug die entlegenen Provinzen. Aus ihr kamen meist nur schlechte Nachrichten, unverständliche Erlasse, Etatstreichungen, verspätete Budgetzuweisungen, Anordnungen zum Personalabbau, alltagsferne Direktiven, Versetzungsbefehle sowie die neuen Vorgesetzten. Laurenti musste die Polizeipräsidentin informieren, bevor Lorusso den Erfolg allein vor den Medien bekanntgeben konnte.
     
    »Und du glaubst tatsächlich, dass Spechtenhauser sich selbst bestehlen wollte?«, fragte Živa Ravno.
    »Weniger sich als die Versicherung.« Laurenti klemmte das Mobiltelefon zwischen Kinn und Schulter, betätigte die Lichthupe und bremste jäh ab. Ein türkischer Sattelzug hatte unvermittelt auf die Überholspur gezogen und war kaum schneller als der bulgarische Viehtransporter auf der rechten Spur.
    »Ganz schön aufwendig.« Živas Stimme fehlte noch die letzte Überzeugung.
    »Habgier und Größenwahn haben Weltkriege ausgelöst.«
    »Wo bist du eigentlich? Die Verbindung kommt und geht.« Živa blickte von dem Hügel, auf dem sich die Aurum d.o.o. beim Dorf Vodnjan befand, über die istrische Küste aufs Meer. Irgendwo im Norden lag Triest.
    »Auf der Autobahn zum Flughafen. Ich möchte Malannino noch über ein paar Dinge ins Bild setzen, die ihm bei der Vernehmung von Unterberger helfen könnten. Und mir erst recht, damit ich meinen Fall abschließen kann.«
    »Hast du ihm mit der Pressekonferenz nicht das Spiel vermasselt?«
    »Er wird’s verkraften. Außerdem haben nur der Staatsanwalt und die Polizeipräsidentin die Fragen der Journalisten beantwortet. Aber ich will auch sehen, ob ich etwas für Mimmo Oberdan tun kann.«
    »Ein Herz für Gangster. Du bist wirklich unverbesserlich, Proteo.« Živa Ravno lachte auf. Genau das machte ihn für sie so anziehend. Unberechenbar, unlogisch, trotzig, stur und sentimental. Freunde vergaß er nie. »Erklär mir wenigstens, weshalb Spechtenhauser dann ermordet wurde, bevor er die Beute in der Hand hatte? Alle anderen hingen doch von ihm ab.«
    »Er stand im eigenen Schatten«, sagte Laurenti nachdenklich. »Wir werden wohl auch einen internationalen Haftbefehl gegen diesen Igor Agim erlassen und ein Auslieferungsgesuch an die Schweiz stellen. Er muss davon gewusst haben.«
    »Unwahrscheinlich, dass die einen ihrer Staatsbürger ausliefern. Andererseits ist das Land selbst nicht viel größer als ein Knast.«
    »Irgendwann wird er eine Reise machen. Aber du könntest ihn vorher herauslocken, Živa, bevor er weiß, dass er gesucht wird.«
    »Wie und weshalb?«
    »Finde einen Grund. Jetzt, da Spechtenhauser tot ist, muss er Dokumente unterschreiben. Mit den Erben verhandeln, die Handelsregistereinträge aktualisieren. Präsentiere ihm einen Käufer, der Spechtenhausers Anteile übernehmen will und damit
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