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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten
Autoren: Veit Heinichen
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er immer besonnen und zuvorkommend gewesen.«
    »Fern von zu Hause ist die Welt feindlich.«
    »Meinst du, er beantragt wirklich ein Disziplinarverfahren gegen uns beide?«
    »Drohgebärden, die mich kaltlassen«, sagte Laurenti. »Der Staatsanwalt hat sich zwar die Lorbeeren angesteckt, aber er kann mir schon deshalb nicht in den Rücken fallen, weil er die Details nicht kennt. Die Anklage schafft er allein nicht. Die Polizeipräsidentin hat auch eine gute Figur gemacht. Und du, Xenia, hast ein außerordentliches Resultat vorzuweisen und beste Verbindungen ins Ministerium. Jetzt muss der Ermittlungsrichter Ergebnisse liefern, und Schlagzeilen kann er damit nicht mehr machen. Die Sache ist gelaufen. Die Grenzen der Macht. Deswegen ist er sauer.«
    »Ganz wie Spechtenhauser.« Xenia entspannte sich langsam.
    Endlich bemühte sich der Kellner, aus dem Lokal zu kommen und die Bestellung aufzunehmen. Er machte große Augen, als er den Commissario erkannte, den er soeben erst in den Nachrichten im Fernseher über dem Tresen gesehen hatte, dessen Ton so laut gestellt war, dass man ihn noch vor der Bar hören konnte. Der einzige Spumante, den die Kneipe führte, stammte von Spechtenhausers Weingut im Collio. Laurenti bestellte einen trockenen Weißwein vom Karst und Xenia einen Negroni.
    »Und dein Freund Mimmo? Hat er geredet«, fragte die Kommissarin.
    »Als er mich gesehen hat, sind ihm die Tränen in die Augen gestiegen, dann hat er wie ein Wahnsinniger geschrien, ich möge ihn da rausholen. Malannino sei ein Folterknecht. Mimmo hat sich in die Hosen gemacht, weil er meinte, er stünde da wie ein Verräter, der Einstein und den Direktor ans Messer geliefert hat. Ich musste ihm erst einmal lange klarmachen, dass er nichts zu befürchten hat, weil die Einzelheiten jetzt täglich von den Medien durchgekaut werden. Nach einer Weile hat er geheult, dass er ein armer Mann sei, weil er die zweite Rate seines ehrlich verdienten Gelds nie im Leben mehr bekommen würde. Alles umsonst. Und dann ist er wie zu erwarten rasch eingeknickt. Er würde ja auspacken, hat er geschluchzt, wenn Malannino ihm nur ein bisschen entgegenkomme. Der Rest war ein Kinderspiel, ich habe die beiden miteinander verkuppelt und Mimmo versprochen, ihn im Knast zu besuchen und eine Flasche Wein für ihn hineinzuschmuggeln. Ich hatte den Eindruck, dass er regelrecht erleichtert war. Malannino wendet scheinbar sehr eigenartige Verhörmethoden an.«
    »Und wenn Mimmo auspackt, tun auch Unterberger und Cassara gut daran, zu kooperieren.«
    »Cassara auf jeden Fall. Unterberger aber wird ein Mord angelastet.«
    »Deswegen wird er Galimberti ans Messer liefern.«
    »Wie lautete noch der Titel deiner Magisterarbeit, Xenia?«, fragte Laurenti und gab dem Kellner ein Zeichen, zwei weitere Drinks zu bringen.
    »Im eigenen Schatten.«
    »Und wie ging er weiter?«
    »Wechsel von Politikeraussagen seit der Korruptionsverfahren nach 1992.«
    »Genau.« Der Commissario lachte und ergänzte ihn. »Voraussagen, versprechen, dementieren, provozieren, leugnen, zugeben, versprechen, dementieren.«
    Er hatte die voluminöse Arbeit damals als Erster zu lesen bekommen, sie war wie zur Beweisführung vor Gericht aufgebaut, was Xenias Professor damals kritisierte, ihn als Polizisten aber in den Bann gezogen hatte. Nur die Statistiken, von denen das Werk wimmelte, hatte Laurenti überblättert, außer einem Schaubild, das Versprechen, Dementis und Eingeständnisse als korrelierende Kurven darstellte. Sie verliefen wie die Beziehung zwischen Einstufungen ganzer Länder durch Ratingagenturen, der Konjunkturentwicklung und dem Goldpreis – und hätten auf die europäischen Nachbarn im gleichen Maß angelegt werden können. Eine Riesengaunerei und Stoff für eine Doktorarbeit.

 
    Über den Autor
     
    Veit Heinichen
    Veit Heinichen wurde 1957 zwischen Bodensee und Schwarzwald geboren. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft und einem kurzen Abstecher in die Automobilindustrie arbeitete er als Buchhändler und anschließend für namhafte Verlage in der Schweiz und in Deutschland. 1994 war er Mitbegründer des Berlin Verlags und dessen Geschäftsführer bis 1999.
     
    Nach Triest, die Stadt, die seine zukünftige Heimat werden sollte, kam Heinichen erstmals 1980. Und hier erweckte er auch Commissario Proteo Laurenti zum Leben, der nun in bislang sieben Romanen (Gib jedem seinen eigenen Tod, 2001; Die Toten vom Karst, 2002; Tod auf der Warteliste, 2003; Der Tod wirft lange Schatten,
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