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Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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nicht.«
    »Die Leiche ist nicht angespült worden, weil sie sich zwischen den Pfählen von dem eingestürzten Pier verkeilt hatte.«
    Ich schaute aus dem Fenster. Der Himmel hing voller bleigrauer Wolken, die staubbedeckten Bäume standen reglos in der drückenden Hitze. Draußen strömte der Verkehr vorbei, ohne daß ich einen Ton hörte.
    »Wie hat man die Leiche identifiziert?« fragte ich.
    »Anhand des Zahnbilds.«
    »Was für ein Zahnbild?« meinte ich aufgebracht. »Sonny ist in einer Sozialsiedlung aufgewachsen. Der ist vermutlich ebensooft zum Zahnarzt gegangen wie ich zum Gynäkologen.«
    »Der Agent sagt, sie sind sich hundertprozentig sicher, daß es Sonny ist.«
    »Er hat für das FBI gearbeitet. Für die war er eine Belastung. Die wollen seine Akte schließen.«
    »Weißt du, was Realitätsverweigerung ist?«
    »Ja. Aber bei mir hat das was mit Sprit zu tun, nicht mit den Toten.«
    »Wollen wir zusammen essen gehen?«
    »Nein. Wo ist die Leiche?«
    »Wird grade zu einem Bestattungsunternehmen in New Orleans gebracht. Laß es gut sein, Dave.« Sie musterte mein Gesicht. »Salzwasser, Fische und Krabben richten einen schlimm zu.«
    Ich stand auf und schaute schweigend aus dem Fenster, bis sie ging. Draußen hackte ein Freigänger aus dem Bezirksgefängnis mit der Machete eine verdorrte Bananenstaude um, aus der ein Heer von Feuerameisen schwärmte, die sich am breiigen Mark gütlich getan hatten.
    »Sind Sie sicher, daß Sie sich das anschaun wollen?« fragte der Leichenbestatter, ein Schwarzer, um die Fünfzig. Es war spät, und er war müde. Er trug ein T-Shirt und eine zerknitterte Hose ohne Gürtel, hätte Stoppeln am Kinn. »Na schön, wenn Sie unbedingt wollen. Sie sagen, er war ein Freund von Ihnen?«
    »Ja.«
    Er zog die Augenbrauen hoch und öffnete die Tür zu einem Hinterzimmer, in dem es gut und gern zwanzig Grad kälter war als im vorderen Teil. Es roch nach Chemikalien, rostfreiem Stahl und kaltem, blank geschrubbtem Beton.
    Über seine Schulter hinweg sah ich eine mitten im Raum aufgebahrte flache Metallwanne.
    »Der Sarg bleibt selbstverständlich verschlossen. Seine Angehörigen werden ihn nicht zu Gesicht bekommen«, sagte er.
    Er trat beiseite, und ich sah das blutleere, verschrumpelte Etwas, das in der Wanne lag, im Lichtkegel schimmerte, der vom Strahler an der Decke herabfiel.
    »Es gibt Bestatter, die so was nicht anrühren«, sagte er. »Aber ich hab einen Vertrag mit der Regierung, daher übernehm ich alles, was die mir vorbeischicken. Isser das?«
    »Das ist ja überhaupt keine menschliche Gestalt mehr.«
    »Hat Ihr Freund rote Haare gehabt?«
    Ich antwortete nicht. Ich hörte, wie er seine Brille aufsetzte, mit seinem Füllfederhalter herumfuhrwerkte.
    »Ich zeig Ihnen mal die Schußverletzungen. Es sind insgesamt vier«, sagte er. Er beugte sich über die Wanne, deutete mit seinem Füller hin. »Zwei in der Brust, eine am Unterleib und eine an der Seite. Sie sehen jetzt aus wie Teigblasen.«
    »Man hat keine Kugeln gefunden«, sagte ich.
    »Glauben Sie mir, Mister Robicheaux, das sind Austrittswunden. Ich hab im Leichenschauhaus von Chu Lai gearbeitet, Republik Südvietnam. Ich hab Jungs aus den Leichensäcken geholt, die da schon eine ganze Weile drin gewesen sind, verstehen Sie? ... Schaun Sie, die Regierung macht derlei Fehler nicht, egal, was Sie darüber denken.«
    »Und warum hat’s uns dann alle nach Vietnam verschlagen?« fragte ich.
    Er ging zur Tür und legte die Hand auf den Wandschalter. »Ich mach jetzt das Licht aus. Kommen Sie mit?« fragte er.
    Ich träumte die ganze Nacht, stand dann im Morgengrauen auf, brühte mir in der Küche Kaffee auf und trank ihn auf der Treppe hinter dem Haus. Die Sonne stand noch hinter den Bäumen im Sumpf, und die Luft war feucht und kühl und roch nach Wolfsmilch und den Ausdünstungen der Rinder auf dem Feld meines Nachbarn. Ständig sah ich Sonnys blutleeres Gesicht vor mir, die blicklosen Augen und die roten Haare, wie das auf einem eisernen Tablett ruhende Haupt von Johannes dem Täufer. Ich kippte meinen Kaffee in das Blumenbeet und fuhr zu Cletes Wohnung nahe der East Main Street.
    »Du brichst ja hier in aller Herrgottsfrühe rein wie ein Wirbelwind, Streak«, sagte er gähnend. Er saß in Boxershorts da und zog sich gerade ein Hemd über die breiten Schultern.
    »Sowohl Alafair als auch Pogue haben ihn gesehen. Ruthie Jean Fontenot ebenfalls.«
    »Manche Menschen sehen sogar Elvis. Und was ist mit James Dean oder Adolf
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