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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld
Autoren: Rita Hampp
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Tür hereinkam. Ebba stand gerade außer Sichtweite der Küche, was sie nur ungern tat, wenn etwas in den Töpfen köchelte. Maria war beim Staubsaugen an den Esstisch gestoßen und hatte aus Versehen eines von Georgs soldatisch aufgereihten Gläsern umgeworfen, dass es kaputtging und sie laut zu schluchzen begann. Was Georg mit Wortfetzen quittierte, aus denen maßlos angestaute Wut sprach.
    Â»Absicht – Sabotage – seit Monaten schon – jetzt auch hier – lüg nicht«, zischte er, und Ebba war hinzugeeilt, weil sie dachte, er würde seine Frau gleich ohrfeigen. Rosie stand abseits, rang ihre Hände und murmelte etwas von »keine Absicht«, »es ist doch Weihnachten.«
    Gleich würde das Pulverfass hochgehen.
    Ebba machte ein paar Schritte ins Esszimmer und sammelte die Scherben zusammen. «Aufhören, alle!«, fuhr sie ihre Geschwister an, während draußen die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. »Maria, hol einfach den kleinen Handfeger. Georg, würdest du bitte still sein? Niemand will dir etwas Böses. Das bildest du dir ein. Und Rosie, bitte! Setz dich am besten schon auf deinen Stuhl.«
    Mit einem Ohr lauschte sie in die Küche. Und da hörte sie es auch schon: Die Ofentür schnappte zu. Sie merkte, wie sich ihr die Haare aufstellten.
    Drei, vier große Schritte genügten, und sie stand neben ihrer Mutter, die sich noch im Mantel an der Gans zu schaffen machte.
    Rosie war ihr gefolgt und hielt sie am Arm fest. »Nicht, Ebba, nicht aufregen. Sie meint es nur gut …«
    Ebba schüttelte die Hand ab.
    Â»Was hast du getan?«, schnappte sie und versuchte, einen Anflug von Panik niederzuringen.
    Ihre Mutter drehte sich lächelnd zu ihr um. »Nichts. Nur etwas Wasser. Man riecht bis draußen, dass die Gans gleich anbrennt.« Sie stockte, und ihr rechtes Augenlid flatterte etwas. »Und eine Prise Beifuß. Eine Gans muss nach Beifuß riechen.«
    Â»Das ist mein Essen!«
    Frieda Seidels Lippen wurden schmal, und sie knöpfte sich den Mantel auf. »Nicht so laut, Elisabetha, benimm dich bitte.«
    Â»Du isst die Gans doch gar nicht. Was soll das?«
    Â»Nichts kann ich dir recht machen.«
    Â»Wirst du bitte endlich akzeptieren, dass ich aus gutem Grund selbst koche und dass ihr nichts an meinen Töpfen zu suchen habt? Man kann schon wütend werden, wenn das nicht beachtet wird.«
    Â»Diese Regeln stellst nur du auf.«
    Â»Du weißt, warum.«
    Ihre Mutter senkte den Kopf. »Ich kann doch nicht ahnen …«
    Â»Nun streitet euch nicht. Es ist Weihnachten!«
    Â»Rosie, halt dich da raus. Es geht einfach nicht, wenn ihr hinter meinem Rücken etwas ans Essen tut. Die Gans ist jedenfalls verdorben.«
    Â»Du übertreibst. Du gehst ja auch ins Gasthaus zum Essen.«
    Â»Nur in wenigen Ausnahmen. Wenn ich nicht sicher bin, was im Essen ist, kriege ich keinen Bissen herunter. Das weiß jeder hier. Erinnert ihr euch nicht mehr an die Regenwürmer und …«
    Georg stürzte mit aufgekrempelten Ärmeln aus dem Bad herbei.
    Â»Aufhören!«, rief er und schüttelte sich die Hände trocken. »Bitte, nicht wieder die alten Geschichten. Ebba, es waren Beifuß und Wasser, okay? Davon geht die Welt nicht unter.«
    Ebba verschränkte die Arme und blitzte ihn wütend an, während sich ihre Mutter an die Hüfte fasste und humpelnd im Schlafzimmer verschwand.
    Â»Ach ja? Davon geht die Welt nicht unter? Sehr interessant. Ich werde dich bei Gelegenheit daran erinnern.«
    Rosie klatschte in die Hände. »Niemand meint es böse, nicht wahr? Können wir uns einfach an den Tisch setzen und friedlich sein? Es ist Weihnachten! Ebba, was gibt es als Vorspeise? Rote Bete und Feldsalat? Darf ich dir beim Servieren helfen?«
    Unschlüssig sah Ebba von einem zum anderen, dann betrachtete sie den festlich gedeckten Esstisch, auf dem Maria gerade die Kerzen anzündete, und es kam ihr vor, als blickte sie direkt in den brodelnden Krater eines Vulkans.
    Sie biss die Zähne zusammen. Vielleicht hatte Georg recht. Vielleicht hatte sie überreagiert. Es war nur Beifuß gewesen, nichts sonst. Es wäre schön, wenn sie es schafften, diesen Abend mit Anstand durchzustehen. Sie wünschte sich so sehr, dass ihre Familie endlich Frieden fand. Dazu musste jeder seinen Beitrag leisten, auch sie.
    Â»Na gut. Georg, würdest du dann bitte die Gans
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