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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld
Autoren: Rita Hampp
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keine Kissen, keine Teppiche, keine Tischdecken, keine Fotos. Nur Kruzifixe über jeder Tür. Jedes Möbelhaus sah heimeliger aus. Dies hier war ganz offensichtlich eine Wohnung, die hauptsächlich zum Schlafen gebraucht wurde. Den Rest des Tages verbrachte Frieda Seidel in der Kirche.
    Ebba ging zurück in die Küche und schaltete den Herd ein, konzentrierte sich ganz auf ihre Handgriffe. Wie üblich vergaß sie darüber die Zeit, und so schreckte sie hoch, als es klingelte.
    Maria stand allein vor der Tür. Auf ihren langen, pechschwarzen, glatten Haaren schimmerten Schnee- oder Regentropfen, das gewohnte breite Lachen lag auf ihrem runden Gesicht, und ihre schwarzen Augen blitzten, als sie ihre Arme ausbreitete.
    Â» Merry Christmas! Frohe Weihnachten, Ebba!«
    Schweigend umarmte Ebba ihre mollige Schwägerin, die nach frisch gewaschener Wäsche und warmem Kuchenteig roch. Maria war genau das Gegenteil von ihr; sie bestand nur aus Gefühl und Freundlichkeit.
    Und wie sie plapperte! Wie ein kleiner Wasserfall, aus dem die Worte so rund wie Murmeln kullerten.
    Â»Georg nimmt die Treppe, wie immer. Oh, es riecht wonderful! Ich würde meiner Familie so gern ein Rezept schicken, aber ich fürchte, sie würden in ganz Manila keine deutsche Gans finden.«
    Â»Wie war die Fahrt?«
    Maria wurde ernst. »Nicht gut.« Sie warf einen sorgenvollen Blick zurück zum Treppenhaus. »Er ist im Augenblick etwas nervous – nein, wie sagt man? Angespannt.«
    Â»Komm, ich helf dir aus dem Mantel. Was meinst du mit angespannt?«
    Â» Well , er glaubt, dass etwas nicht stimmt, und dann …« Sie stockte kurz, um nach einem Wort zu suchen. »Dann gibt er mir Schuld.« Maria fuhr sich über die Augen, danach lächelte sie wieder. »Das wird wieder okay. Vielleicht zu viel Arbeit im Moment. Vielleicht …«
    Draußen im Treppenhaus war ein erstickter Laut zu hören. Maria unterbrach sich und eilte, gefolgt von Ebba, zur Wohnungstür zurück.
    Mit bläulichen Lippen und schwer atmend lehnte Georg neben der Tür, den Mantel sorgfältig gefaltet über dem Arm, die Krawatte für seine Verhältnisse skandalös weit gelockert. Zitternd wischte er sich mit seiner rissigen roten Hand den Schweiß von der Stirn.
    Â»Fünf Stockwerke«, flüsterte er und drückte sich mit halberhobenen Armen in den schmalen Flur, »sind etwas viel für mein Herz. Lasst mich bitte durch.«
    Er hängte seinen Mantel über einen Bügel, strich ihn glatt und verschwand im Bad, um sich die Hände zu schrubben.
    Â»Wenn du Hilfe brauchst, ruf mich an, Maria, hörst du?«, wisperte Ebba. »Jederzeit! Oder sollte man gleich mit Georg reden?«
    Â»Oh, no, no, bloß nicht. Ebba, please! Bitte!«
    Der Küchenwecker rappelte.
    Â»Komm in die Küche, da ist sowieso gemütlicher als hier im Flur.«
    Â»Kann ich helfen?«
    Â»Deckst du den Tisch?«
    Â»Und wenn du bist hier fertig, dann ich wische schnell Boden.«
    Â»Nicht nötig.«
    Â»Oh, du weißt doch! Ich habe nicht umsonst fünf Putzstellen.«
    Maria war wirklich das Beste, was ihrem sauberkeitsbesessenen Bruder hatte passieren können, auch wenn es ein Reizthema zwischen den Eheleuten war, dass die Frau eines Steuerberaters es nicht nötig hatte, den Dreck fremder Menschen wegzuwischen. Mit dem eigenen Geld finanzierte sie sich ihre Deutschkurse, und das nötigte Georg, dem »Sparstrumpf«, wiederum Respekt ab.
    Ebba drehte die noch blasse Gans auf den Rücken, stach mit einem spitzen Messer in die Flanken, sah die mitgebrachten Gewürze durch und entschied sich, den Beifuß dieses Mal wegzulassen. Stattdessen würde sie etwas Orangenschale zugeben.
    Mit angewiderter Miene kam Georg in die Küche und riss das Fenster auf.
    Â»Die ganze Wohnung riecht nach verbranntem Fett«, meckerte er, während er den Kühlschrank öffnete und die Vorräte inspizierte, um sie sodann seufzend nach Haltbarkeitsdatum und Größe zu ordnen. Gleich würde er dasselbe mit dem Vorratsschrank machen und Nudeln, Reis und Zucker umschichten. Dabei schimpfte er weiter. »Warum machst du nicht mal was anderes? Etwas Kaltes würde doch auch reichen.«
    Â»Weil eine Familie Rituale braucht.«
    Â»Welche Familie? Du vielleicht.«
    Ebba verzichtete darauf, auf die Uhr zu sehen. Wie viele Minuten hatte es diesmal gedauert, bis Unfrieden
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