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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld
Autoren: Rita Hampp
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Keuchend wand sie sich aus der Umarmung, wankte zur Tür und stieß sie auf, dann blieb sie stehen, um die Weite des riesigen Penthouses, die Aussicht, die Luft zum Atmen zu spüren, zu schmecken und zu sehen.
    Das Vibrieren in ihren Ohren wurde leiser, Jörgs Stimme verständlich. Eisig kalt fühlte sich nun der nasse Stoff auf ihrer Haut an. Sie schlang die Arme um sich, wie um noch einen winzigen Aufschub zu bekommen.
    Nachdenklich heftete sie ihren Blick auf die Tür zum Schlafzimmer, die einzige, die sich noch im Apartment befand. Sie hatte sie eigentlich nur für ihre Gäste hängen lassen, damit diese ohne Hemmungen die sonst vor Blicken ungeschützte offene Toilette hinter dem Schlafbereich benutzen konnten. Wenn sie sich im riesigen Wohnraum aufhielt, konnte diese eine Tür auch vorübergehend einmal geschlossen sein. Eine Wohnungstür gab es ja auch. Aber wenn sie im Bett oder in der Badewanne lag, musste sie alles überblicken können. Alles musste offen sein, auch Vorhänge oder Rollläden an den Fenstern waren indiskutabel.
    Er musste es erfahren. Wenigstens einen winzigen Teil. Sie musste es ihm endlich sagen, sonst würde es nie aufhören.
    Vertraute sie sich ihm aber an, würde er keine Ruhe geben. Er würde wie bei ihrer ersten Begegnung wieder nachfragen, womöglich auf eigene Faust versuchen, die wahre Ursache herauszufinden. Das galt es unbedingt zu verhindern. Niemand durfte die Wahrheit erfahren, absolut keine Menschenseele. Niemals. Unter keinen Umständen. Das hatten sie sich geschworen in jener Nacht.
    Sollte sie die Beziehung also lieber beenden wie die anderen zuvor? Schluss machen? O nein, nicht mit ihm. Alles stimmte diesmal.
    Glucksendes Lachen kam aus seiner Richtung, und auch ohne zum Spiegel zu sehen, wusste sie, warum: Ihre Haare standen nach allen Seiten ab, wie immer, wenn sie sich aufregte. Automatisch hob sie die Hände und strich sich über den Kopf.
    Â»Bitte«, begann sie und musste noch einmal ansetzen, weil sich ihre Kehle wie ein Reibeisen anfühlte. »Es ist mir todernst: Mach das bitte nie wieder, hörst du? Nie wieder!«

Zwei
    Nebelbänke hingen in der Rheinebene, tiefe Wolken schmiegten sich wie Hermelinmäntelchen um die mit Raureif überzuckerten Höhen des Schwarzwalds, an den Rändern der gefährlich glitzernden Autobahn lag Matsch, die Menschen in den überholenden oder überholten Autos sahen frustriert und gestresst aus.
    Ebba war froh, früher losgefahren zu sein, obwohl es ihr schwergefallen war, sich von Jörg loszureißen. Knapp ein halbes Jahr kannten sie sich jetzt; er hatte zur Eröffnung ihrer Galerie eine große Fotoreportage in mehreren Kunst- und Freizeitmagazinen veröffentlicht, und sie waren danach in Kontakt geblieben, der sich stetig vertieft hatte.
    Gestern war er zum ersten Mal über Nacht geblieben, und es hatte ihr überraschend gutgetan. Schade nur, dass der Morgen dann so schrill begonnen hatte.
    Um eine ähnliche Situation künftig zu vermeiden, hatten sie noch vor dem Frühstück die Schlafzimmertür aus den Angeln gewuchtet und an die Wand gelehnt. Der Hausmeister würde sie nach den Feiertagen zu den anderen Türen in den Keller schaffen. Dann hatte er sie liebevoll in den Arm genommen und ihr ins Ohr geflüstert, sie brauche sich keine Sorgen zu machen, er werde ihr so viel Zeit lassen, wie sie benötige.
    Â»Mit dieser Nacht sind wir zu einem Marathon angetreten, Liebes«, murmelte er in ihr Haar, und es tat gut, ihm zu glauben, auch wenn ihr alles viel zu schnell und unwirklich vorkam. Konnte Liebe wirklich unkompliziert sein? Gab es einen Pferdefuß, den sie übersehen hatte? Hätte sie überprüfen sollen, was er ihr über sich erzählt hatte? Aber warum sollte er sie anlügen? Er war früher Enthüllungsjournalist mit Leib und Seele gewesen, hatte darüber sträflich seine Familie vernachlässigt und sich nach der Scheidung auf freie Fotoreportagen für Lifestyle-Magazine konzentriert, und er liebte seine halbwüchsige Tochter Lisa, die jedes zweite Wochenende bei ihm verbrachte. Sie wusste, wo er wohnte, sie sah seine Arbeiten in diversen Hochglanzzeitschriften, sie kannte sein Auto, seine Telefonnummer und seit dieser Nacht auch das Muttermal auf seinem Rücken, das wie eine kleine Spinne aussah.
    Ebba reihte sich in die Abbiegespur zur Stadtmitte ein und zwang sich, sich auf die
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