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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes
Autoren: Susan Hastings
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einem eigenartigen Dämmerlicht.
    »Was hast du eigentlich empfunden, als die Soldaten die Männer, Frauen und Kinder erschossen?«, fragte Désirée leise.
    Philippe stöhnte lautlos auf. »Herrgott, Désirée, ich hatte gar keinen Einfluss auf die Soldaten. Dieser Leutnant Pellegrue hat sie befehligt, und er ließ sich da von einem Zivilisten nicht hereinreden.«
    »Ich frage dich, was du dabei empfunden hast«, beharrte sie.
    Er hob in einer hilflosen Geste die Hände und ließ sie wieder fallen. »Meinst du, ich habe es gewollt? Ich gäbe was dafür, es ungeschehen zu machen. Aber ich hatte eben Angst um dich. Verstehst du das nicht?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf. »Nein, das verstehe ich nicht«, sagte sie nach einer Weile. »Glaubtest du wirklich, dass Kinder mich versteckt halten?«
    Er senkte den Kopf. »Nein«, gab er kleinlaut zu. Dann fuhr er sich mit gespreizten Fingern durchs Haar und warf Désirée einen verzweifelten Blick zu. »Aber was sollte ich denn machen?«
    Sie wandte sich wortlos ab. Er ließ sich auf einen Stuhl sinken. »Versteh mich doch, Désirée. Du warst verschwunden. In Algier sagte man mir, dass du nach einer Karawane gesucht hast, die dich ins Tuareg-Gebiet bringt. Ich war halb wahnsinnig vor Angst. Dein Vater war verschollen und nun auch du. Ich fragte alle möglichen Leute, die sich in der Wüste auskennen, aber alle rieten mir ab, dich zu suchen. Bis man mich an eine Karawanserei in Tuggurt verwies. Dort fand ich einen Mann, der bereit war, eine Suchaktion zu starten, mit seinen Kamelen und seinen Männern. Allerdings nur unter der Bedingung, dass uns Soldaten begleiten. Ich telegrafierte mit der Garnison in Ouargla, und die haben zugesagt. In Hassi Messaoud trafen wir uns. Leutnant Pellegrue erzählte mir von den vielen Überfällen der Hoggar-Tuareg und dass es lebensgefährlich sei, in ihr Stammesgebiet einzudringen. Leider sei die Befriedung der Wüste noch nicht so weit fortgeschritten, dass man eine Expedition in das Gebiet wagen könne.«
    »Befriedung«, schnaufte Désirée zynisch. »Nennst du das Befriedung?«
    »Fakt ist, dass die Wüste befriedet werden muss. Fakt ist, dass die rebellischen Tuareg in die Knie gezwungen werden müssen. Sie sind es doch, die immer wieder diese Überfälle auf uns verüben.«
    »Auf uns?«, höhnte Désirée.
    »Jawohl, auf uns, auf die Franzosen, auf die Araber, auf die Karawanen, ja auf ihre eigenen Nachbarstämme. Solange es keine Ruhe in den Tuareg-Gebieten gibt, solange hemmt dies den Fortschritt, den wir der Wüste bringen werden. Ich habe ein Bewässerungsprojekt gesehen, womit man die Wüste zum Blühen bringen könnte. Getreidefelder, Baumwolle, blühende Gärten. Und natürlich Weiden für das Vieh. Diese Tuareg bräuchten bloß zu arbeiten, Bewässerungskanäle zu bauen, Zisternen anzulegen. Sie bräuchten nie wieder von Oase zu Oase zu wandern.«
    »Sie sind Nomaden, Philippe, und das seit Jahrhunderten. Glaubst du, du kannst sie einfach sesshaft machen, indem du ihnen einen Gewehrlauf an die Stirn hältst? Die Edlen der Tuareg sind Krieger. Sie sind zur körperlichen Arbeit weder geschaffen noch bereit.«
    »Aber darauf kann der Fortschritt doch keine Rücksicht nehmen. Manchmal muss der Mensch zu seinem Glück eben gezwungen werden.«
    »So wie du mich zu meinem Glück zwingen willst?«
    »Keiner will dich zu etwas zwingen, ma chérie. Wir waren doch vorher auch glücklich miteinander. Pass auf, sobald wir wieder in Paris sind, wird diese unselige Geschichte Vergangenheit sein, und wir werden uns lieben wie am Anfang.« Er trat vor sie hin und legte seine Hände auf ihre Schultern. In seinen braunen Augen glomm eine verzweifelte Hoffnung auf. »Es steht doch nichts zwischen uns, Désirée.«
    »Doch«, widersprach sie. »Tote Tuareg.«
    »Herrgott noch mal, machst du mich jetzt wirklich verantwortlich für die Übergriffe der Soldaten? Wie sonst hätten sie herausbekommen sollen, wo man dich gefangen hielt? Diese blauen Teufel verstecken sich hinter ihren Schleiern und starren einen an, dass einem richtig unheimlich wird. Was weißt du, wie sie denken, fühlen, handeln? Im nächsten Moment ziehen sie ihre verdammten Schwerter, und dein Kopf liegt neben dir.«
    »Hat das Leutnant Pellegrue erzählt?«
    »Ja. Und er hat mir Dutzende Beispiele genannt. Er selbst war 1881 in Bir el Gharan dabei. Seitdem hat er immer wieder solche Scharmützel beendet.«
    »Dann wird es ja Zeit, dass er endlich mal einen Erfolg zu vermelden
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