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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes
Autoren: Susan Hastings
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hat.«
    »Den hat er inzwischen«, erwiderte Philippe.
    Sie hob die Augenbrauen. »Weißt du etwas, das ich nicht weiß?«
    Sie entdeckte die zusammengefaltete Zeitung in seiner Rocktasche und wollte danach greifen.
    Er hielt ihre Hand fest. »Es gibt nichts, was du wissen müsstest.«
    Sie stand dicht vor ihm und blickte zu ihm auf. »In einer Beziehung wie unserer sollte auch Vertrauen herrschen. Philippe, was verschweigst du mir?«
    »Das Vertrauen hast du zerstört«, gab er unwillig zurück. »Aber ich verzeihe dir. Trotzdem solltest du jetzt deine Gedanken nach vorn richten und nicht zurück. Vergiss alles, was mit der Wüste und den Tuareg zusammenhängt, so will ich es auch vergessen.«
    Sie trat einen Schritt zurück, wandte sich um und starrte zum Fenster hinaus. »Wer könnte sie jemals vergessen, der sie kennen gelernt hat«, sagte sie leise.
    Philippe betrachtete ihren geraden Rücken. Ihre geschnürte Taille wirkte so zerbrechlich, die gepolsterten Schultern unnatürlich breit und das hochgesteckte Haar ließ ein Stück ihres weißen Nackens frei. Ein warmes Gefühl durchflutete ihn. Er legte die Arme um sie und beugte sich an ihr Ohr. »Es ist vorbei, Désirée, es ist vorbei. Ab jetzt beginnt für uns ein neues Leben; ich habe meine Arbeit in der Bergwerksgesellschaft gekündigt. Ich werde mit dir nach Paris zurückkehren und es nie wieder verlassen. Vielleicht mal zu einem kleinen Ausflug in die Provence, zur Lavendelblüte oder der Weinlese. Ich freue mich schon so darauf.«
    Sie fuhr herum. »Du hast deine Stellung gekündigt?«
    Er nickte lächelnd.
    »Wegen mir?«
    »Für dich«, verbesserte er sie. »Wir werden uns niemals mehr trennen.«
    Sie biss sich auf die Unterlippe. »Liebst du mich wirklich noch, Philippe?«
    »Ja, ma chérie.«
    »Würdest du mich auch dann noch lieben, wenn du wüsstest, dass ich ...« Er legte seinen Finger auf ihre Lippen.
    »Du musst es mir nicht sagen. Du musst mir gar nichts sagen. Du hast viel durchgemacht, und in manchen Situationen entscheidet man anders, als es ein außen Stehender beurteilen kann. Wusstest du übrigens, dass dein Vater über Ghadames in den Hoggar gereist ist? Du warst auf einer ganz falschen Fährte.«
    Schweigend schaute sie ihn an.
    »Er hat nur eine ganz kleine Karawane gechartert«, fuhr er fort. »Eigentlich war es gar keine Karawane, es waren nur fünfzehn Kamele. Damit kommt man niemals durch die Wüste.«
    »Damit kommt man sehr wohl durch die Wüste«, widersprach sie. »Wenn man sich darin auskennt. Man braucht sogar viel weniger als fünfzehn Kamele. Man braucht nur ein Kamel und eine guerba . Weißt du, was eine guerba ist? Das ist ein Ziegenfell, das mit Wasser gefüllt wird. Damit kommt man von einem Brunnen zum anderen, wenn man sparsam damit umgeht. Und man darf die guerba über Nacht nicht in den Sand stellen, sondern muss sie am Sattel oder an einem Stock aufhängen. Der trockene Sand würde das Wasser durch das Fell hindurchsaugen. Aman heißt Wasser. Aman iman , sagen die Tuareg – Wasser ist Leben. Die Kamele brauchen eine ganze Woche nicht zu trinken. Doch wenn sie trinken, dann dauert das sehr lange. Ob sie genügend Wasservorrat haben, sieht man daran, wie prall ihr Höcker gefüllt ist. Je weißer so ein Tier ist, umso edler ist es. Ein Stammesfürst reitet ein ganz weißes Kamel. Sie nennen sie Meharis. Es gibt aber auch andere Farben. Ein Kamel mit weißem Maul heißt imulssan ; wenn es einen grauen Rücken hat, aber weiße Flanken, nennt man es awinak . Ein geschecktes Kamel heißt azerraf , ein gelbliches Kamel éberim ; wenn es beim Beladen brüllt, heißt es tarajawit ; macht es kleine Schritte, heißt esategemtegam ...«
    »Bitte sei still«, keuchte er und presste die Augenlider zusammen.
    » Araw heißt Kind«, fuhr sie fort, als spräche sie zu sich selbst. »Die Kinder werden von den Frauen unterrichtet. Eigentlich lernen sie alles von den Frauen, was man zum Leben braucht, deshalb verehren sie auch ein Leben lang ihre Mütter. Ein neugeborenes Kind nennt man amarwa . Am siebten Tag nach der Geburt eines Kindes durchschneidet der Marabout einem Schafbock die Kehle, die nach Mekka gewandt ist. Er ruft ›Gott ist groß‹ und dann zum ersten Mal den Namen des Kindes. Damit erkennt der Vater seine Vaterschaft an, und die Zeugen wachen darüber, dass er das Kind gut behandelt ...«
    »Hör auf! Halt den Mund!«, schrie Philippe sie an.
    Sie schwieg erschrocken. Er wischte sich mit dem Handrücken über die
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