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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes
Autoren: Susan Hastings
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keine neue Heimstatt. Es sollte Paris sein. Schon wegen Désirée. Sie gehörte nach Paris. Nicht einmal in die Provence. Und ihre orientalischen Gelüste konnte sie im Museum in Paris befriedigen.
    Mit dem Tod ihres Vaters hatte es sich hoffentlich mit ihren unseligen Ausgrabungen erledigt. Sollte sie den Nachlass ihres Vaters verwalten, sollte sie ihn auf Ausstellungen und Konferenzen, wissenschaftlichen Disputen und in der Presse vertreten, aber nicht irgendwo im Sand der Wüste.
    Bei diesen Gedanken schöpfte er neuen Mut und die Hoffnung, dass mit der Rückkehr nach Paris alles wieder so werden würde wie einst. Er würde nach Algier telegrafieren, dass er sich vorerst beurlauben lassen wollte, um Désirée nach Paris zu begleiten. Vielleicht konnte seine Stelle bei dem Bergwerkprojekt mit einem anderen geeigneten Ingenieur besetzt werden. Auch wenn ihn diese Arbeitsstelle ausgezeichnet hatte, so war ihm Désirée in diesem Falle wichtiger als seine Arbeit.
    Er beschloss, ein Café zu besuchen, solange die Modistin noch bei Désirée weilte. Und da er wusste, dass es erfahrungsgemäß etwas länger dauerte, bis sich eine Frau für ein Kleid oder einen Hut entschied, so konnte er getrost inzwischen einen Mokka trinken.
    Er wählte ein französisches Café am Platze, wo er sich in den Schatten der ausgerollten Markise setzte und sich vom garçon einen arabischen Mokka und eine französische Zeitung kommen ließ.
    Bereits auf der Titelseite sprang ihm die große Überschrift entgegen: Überfall auf die Garnison in Ouargla!
    Mit ungutem Gefühl überflog er den Artikel. Die Tuareg hatten sich zum Angriff gesammelt! Zwar war es in den letzten Jahren immer wieder zu blutigen Überfällen der blauen Rebellen gekommen, aber noch nie hatten sie so massiv angegriffen. Die Tuareg bevorzugten den offenen Kampf, was auch bei manchen Franzosen Bewunderung über ihren Mut hervorrief. Aber immer waren es kleinere Scharmützel, bei denen sich die Bewaffnung der französischen Armee als überlegen erwies.
    Diesmal jedoch war es anders. Irgendjemandem von den Stammesfürsten schien es gelungen zu sein, die einzelnen Stämme zu einen. Eigentlich waren sie untereinander zerstritten, und diese Wüstenräuber machten sich nichts daraus, Nachbarstämme zu überfallen, ihre Viehherden und Sklaven zu rauben. Ehrenhafte Raubzüge nannten sie das. Und doch schien sie etwas zu einen, was kein Franzose zu erahnen vermochte. Eigentlich dürfte auch eine größere Zahl Wüstenkrieger kein Problem sein für die gut ausgerüstete französische Armee. Diesmal jedoch hatten die Tuareg ihre Kampftaktik verändert. Sie schienen feige geworden zu sein, griffen nachts an, zogen sich immer wieder zurück. Sie kämpften aus dem Hinterhalt wie Schakale. Das war neu.
    Auch wenn der Artikel mit den Zeilen schloss, dass sich der Wüstensand rot vom Blut der Tuareg färbte und die französische Kolonialmacht die Situation unter Kontrolle hatte, so konnte dies Philippe nicht beruhigen. Gleich morgen würde er mit Désirée nach Algier reisen. Mit der Eisenbahn, das war schnell und sicher.
    Er trank seinen Mokka aus, faltete die Zeitung zusammen und warf ein Geldstück auf den Tisch. Dann eilte er zum Bahnhof, um sich zu vergewissern, dass am nächsten Tag ein Zug nach Constantine fuhr.
    Die Modistin hatte offensichtlich ihr gesamtes Warenlager auffahren lassen. In Désirées Zimmer sah es aus wie auf einem Kleiderbasar. Selbst einige Schneiderpuppen hatte die Dame herbeigeschafft und plapperte nun unaufhörlich auf Désirée ein.
    »Ich kann mit Recht von mir behaupten, die neuesten Pariser Kreationen anbieten zu können. Schauen Sie sich nur dieses Modell an! Ja, Sie hören richtig. Es ist ein Modell, denn davon gibt es kein zweites Stück. Heutzutage wird ja die Garderobe in den Fabriken hergestellt, meine sind aber noch echte Handarbeit. Das finden Sie kaum noch in Paris. Und wenn, dann ist es dort unglaublich teuer. Beachten Sie zunächst die tiefer gesetzte Taille. Natürlich werden die weiblichen Rundungen durch entsprechende Polsterungen und Raffungen betont, was ja auch wirklich hübsch aussieht, und Sie sind so ein junges Frauchen, das darf mit ihren Reizen nicht geizen.« Sie lachte laut über ihren Wortwitz. »Und schauen Sie nur die Ärmel! Das ist der neueste Schrei in Paris. Man nennt sie Keulenärmel. Die Schultern werden stark betont, und diese Ärmelform passt sich harmonisch an. Dazu der breite Kragen, aufs Feinste gestickt. Wichtig ist eine
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