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Im Bann der Ringe (German Edition)

Im Bann der Ringe (German Edition)

Titel: Im Bann der Ringe (German Edition)
Autoren: Andrea Bielfeldt
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ihn plötzlich etwas blendete. Auf dem Boden lag ein weißes Blatt Papier. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich auf seiner glatten Oberfläche und erregten so seine Aufmerksamkeit. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist das nichts anderes als Müll, der entsorgt werden will, dachte Ric. Aber aus einem unbestimmten Gefühl heraus konnte er nicht anders, als sich danach zu bücken und es aufzuheben. Er drehte es um und erstarrte.
    Auf dem Blatt hatte jemand eine Skizze erstellt. Eigentlich waren es nur Umrisse. Aber der Zeichner hatte mit großem Geschick und wenigen Linien viele kleine detailgetreue Einzelheiten erfasst. Es war gut zu erkennen, was es darstellen sollte. Oder besser gesagt wen!
    Es war ein Gesicht. Sein Gesicht!
     
    Fassungslos ließ Ric sich langsam auf den Boden sinken. Blicklos starrte er auf die Zeichnung, die er fest in seiner Hand hielt. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, sein Gehirn war wie eingefroren, so als würde es sich weigern, wahrzunehmen, was er da vor sich hatte.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder klar denken konnte, und mit wachsender Verblüffung verfolgten Rics Augen jeden einzelnen Bleistiftstrich auf dem Blatt. Der Zeichner hatte wirklich gute Arbeit geleistet. Angefangen von seiner etwas zu hohen Stirn über die gerade, aber etwas zu breite Nase bis hin zu der kleinen sichelförmigen Narbe an seinem markanten Kinn – er hatte jedes noch so kleine Detail festgehalten. Und was am außergewöhnlichsten war …
    „Die Augen!“ Mit einer Gründlichkeit, die Ric erstaunte, hatte der Maler den schmerzlichen Ausdruck in seinen Augen eingefangen. Behutsam strich er mit dem Daumen darüber, als hoffte er, den Ausdruck fortwischen zu können, den er in ihnen erkannte. Den Ausdruck, der seit dem Tod seiner Mutter in ihnen gefangen war: eine Mischung aus Traurigkeit, Verständnislosigkeit und verzweifelter Wut.
    Einige Minuten gab Ric sich seinem Schmerz hin. Manchmal überwältigte er ihn einfach, ohne, dass er etwas dagegen tun konnte. Ohne, dass er sich wehren konnte. Er überrollte ihn wie ein Tsunami und er war ihm hilflos ausgeliefert. So saß er auch jetzt auf dem Boden und wartete, dass die Riesenwelle einfach über ihn hinweg schwappte.
    Allmählich ließ der Druck in seiner Brust nach. Das laute Tosen der Brandung ging in ein leises Plätschern über – dann war es vorbei. Erleichtert atmete er tief durch, löste auch den letzten Klumpen traurige Erinnerung auf und konzentrierte sich nun auf die Zeichnung in seiner Hand. Unten links in der Ecke fielen ihm drei Buchstaben ins Auge. C.A.T. Vermutlich die Initialen des Zeichners. Natürlich brachte ihn das in keiner Weise weiter. Er kannte hier ja niemanden. Aber irgendjemand schien ihn zu kennen!
    Nach einer gefühlten Ewigkeit auf dem Fußboden riss ihn das Hupen eines Autos aus seinen Gedanken. Erschrocken sah er auf. Kam er zu spät? Hatte der Unterricht bereits angefangen? Waren schon alle Schüler in ihren Klassenräumen und war es deshalb so still?
    Ein Blick auf seine Armbanduhr genügte, um ihn zu beruhigen – es war noch nicht einmal eine halbe Stunde vergangen. Langsam rappelte er sich auf und stopfte die Zeichnung in seinen Rucksack. Er würde sich später damit beschäftigen müssen. Jetzt musste er sich erst einmal auf den ersten Schultag konzentrieren.
     
    Die Tür zum Schulbüro war jetzt offen.
    „Bianca Riley, Sekretariat“ stand auf einem kleinen Namensschild, das die ältere Frau an ihrer gestärkten weißen Bluse trug.
    „Sie sind aber früh dran“, bemerkte sie ungehalten und warf ihm einen kurzen, strengen Blick über die Ränder ihrer Brille zu. Es war fünf vor halb neun.
    „Guten Morgen, Mrs. Riley! Ja, tut mir leid! Ich habe mich etwas in der Zeit vertan“, gestand Ric mit einem herzlichen Lächeln.
    „Na ja, macht ja nichts. Ich bin ja schon hier, wenn auch erst kurz“, gab sie etwas besänftigt mit einem knappen Lächeln zurück. „Was kann ich für Sie tun?“
    „Ich möchte mich anmelden.“
    „Bitte füllen Sie dies hier aus“, erwiderte sie. Dann reichte sie ihm einige Formulare. Mrs. Riley half Ric beim Ausfüllen aller Daten und gab ihm dann seinen Rundzettel, während sie ihm den Weg zu seinem Klassenzimmer erklärte.
    „Viel Spaß dann! Und bitte dran denken, den Zettel nach Schulschluss wieder bei mir abzugeben.“
    „Mach ich, Mrs. Riley.“ Ric bedankte sich und trat aus dem Büro auf den Flur. Dort warf er sich den Rucksack über die Schultern, stecke die Hände
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