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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter
Autoren: Oliver Bottini
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Doch auch das verstand sie.
    »Ich hätte auch einen tüchtigen Schreck bekommen.«
    Er rang sich ein Lächeln ab. Nein, Henriette hätte alles im Griff gehabt. Hätte den Mann zum Teufel gejagt.
    »Ihr Mann glaubt, dass er vielleicht wiederkommt«, sagte die Polizistin.
    »Soll er, mit dem würde ich gern ein Wörtchen reden. Euch so einen Schreck einzujagen. Und schau dir mein Rosenbeet an.«
    Er sah die Polizistin schmunzeln. Die Müdigkeit in ihrem Gesicht war verschwunden. So wirkte Henriette auf die Menschen – belebend, erfrischend, ermunternd.
    Die Polizistin berichtete, was die Kollegen gefunden hatten – Fingerabdrücke, aber keine besonders guten beziehungsweise vollständigen. Seine Fingerkuppen waren offenbar stark zerkratzt oder zerschnitten. Dann die Schuhspuren im Beet, und hinten am Weg hatten sie eine halb gerauchte Zigarette aufgeklaubt, die jedoch möglicherweise von einem Spaziergänger stammte.
    »Oder von Carola«, sagte Henriette.
    »Oder von mir.« Er gähnte verhalten.
    Henriettes Hand hielt inne. »Du rauchst wieder?«
    »Manchmal. Am Wochenende.«
    »Seit wann denn?«
    »Weiß nicht. Seit wir hier sind?«
    »Seit vier Jahren? Du rauchst seit vier Jahren wieder?«
    Die Polizistin lächelte ihm zu. Er lächelte zurück. Vier Jahre schon? Erst vier Jahre?
    »Ab und zu. Am Wochenende.«
    Henriette sagte nichts, musterte ihn nur. Ihre Hand streichelte ihn wieder, langsamer, zärtlicher als vorhin. Ihre
Augen waren voller Zuneigung, aber die Zuneigung kam aus einer großen Entfernung.
    »Eine italienische Marke«, sagte die Polizistin. » MS .«
    Er schüttelte schläfrig den Kopf. »Camel.«
    Henriette nickte schweigend. Camel und Portwein an der Algarve. Der Beginn des alten Lebens.
    Für einen Augenblick schien sie aus der Entfernung zurückzukommen.
    »Und Ihre Tochter?«
    »Mal dies, mal das, kommt darauf an, mit welchem Jungen sie gerade zusammen ist«, sagte Henriette. »Ich frage sie.«
    Weil die Müdigkeit übermächtig wurde, schloss er die Augen, hörte den beiden Frauen zu, Henriette, die sich erkundigte, ob draußen, im Viertel oder auf den Wanderwegen, jemand den Mann gesehen habe, der Polizistin, die antwortete, nein, bis jetzt niemand, aber die Kollegen seien ja noch unterwegs. Dann schwiegen sie, und er spürte, dass sie ihn ansahen, ihm beim Einschlafen zusahen. Er wünschte, sie hätten weitergesprochen, denn seit sie schwiegen, saß am Rande seines Bewusstseins ein schwerer, bedrohlicher Schatten, den er körperlich zu spüren glaubte, irgendwo tief drin in seinem Kopf. Seht ihr?, dachte er und versuchte, den Mund zu öffnen, doch seine Lippen waren gefühllos und unbeweglich geworden, und so sagte er stumm für sich, was er den beiden Frauen unbedingt noch sagen wollte, bevor er einschlief:
    Er ist wieder da.
     
    Als er erwachte, herrschte Dunkelheit. Er lag noch immer auf dem Sofa, unter einem Berg von Bettdecken. Der Schatten in seinem Kopf hatte zu schmerzen begonnen. Er
richtete sich auf, fand mit dem Fuß den Schalter der Stehlampe. Zögerte, bevor er sie anmachte. Aber er war allein im Zimmer, und die Rollos waren herabgelassen worden.
    In der Küche warf er einen Blick auf die Wanduhr. Halb drei.
    Erst jetzt bemerkte er, dass er im Schlafanzug war. Er erinnerte sich an sanfte, geflüsterte Anweisungen, jetzt den linken Arm, jetzt den Po heben, brav, an Henriettes sanfte, kleine Hand.
    Henriette, die weit weg war und nur noch manchmal aus der Entfernung zurückkehrte.
    Er ging wieder ins Wohnzimmer, fand seine Hausschuhe vor dem Sofa. Er setzte sich, versuchte zu begreifen, was ihn geweckt hatte. Der Druck in der Blase? Der Schmerz in seinem Kopf? Ein Geräusch?
    Er spürte, dass er zitterte. Vor Kälte, vor Angst. Er wusste, dass der Mann im Haus war.
Wusste
es einfach.
    Er stand auf.
    In der Diele blieb er stehen und lauschte. Der Kühlschrank war angesprungen. Sonst herrschte Stille. Stille und Dunkelheit.
    Lautlos betrat er den Vorraum, überprüfte die Haustür. Abgesperrt, doch Henriettes Schlüssel steckte nicht wie sonst im Schloss. War sie wieder fortgegangen?
    Er öffnete die WC -Tür, zog sie zu, pinkelte im Dunkeln. Konnte sich lange nicht entscheiden, ob er spülen sollte oder nicht. Ließ es schließlich, zu laut.
    Dann schlich er die Treppe in den ersten Stock hinauf. Wo bist du?, dachte er. Oder täuschte er sich? Täuschte ihn die Angst? Er war so sicher, dass sich der Mann im Haus befand ...
    Oben war es ein wenig heller, weiches Licht drang
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