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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter
Autoren: Oliver Bottini
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verschwand und nicht mehr auftauchte. Ben Liebermann versuchte nicht, sie zu trösten, und sie war ihm dankbar dafür. Štrpci und Carola und Lončar, das musste sie noch immer mit sich selbst ausmachen. Er hatte ihr nicht aufgeholfen, auch dafür war sie
ihm dankbar. Er hatte sich nur schweigend zu ihr gesetzt, ließ sie sein, was sie war, ließ sie in ihre Abgründe stürzen, kam mit hinunter, ohne zu stören. Sie blieben sitzen, auch nachdem Lončar längst fort war. Irgendwann fragte Ben Liebermann, wie lange sie noch bleiben wolle, und sie erwiderte, bis zum Ende. Er schien erst Minuten später zu begreifen, als eine Explosion die Stille Štrpcis zerriss, ein ferner, dunkler Knall irgendwo aus den unsichtbaren Wäldern jenseits des Hügelkamms, ein Geräusch, wie sie es noch nie gehört hatte, ein Geräusch des Krieges.
     
    Während der Fahrt zur Grenze schwiegen sie. Bosnien, das war für Louise Štrpci, Lončar, Carola. Schreckliche Tage und Wochen in Merzhausen, in Günterstal. Sie konnte nicht mehr sprechen in Bosnien.
    In Slavonski Brod dann Burek mit Käse, Cola, Cappuccino und ein Ben Liebermann, der auf eine ansprechende Weise nervös war. »Und jetzt, Louise?«, fragte er.
    »Erinnern und vergessen.«
    Er nickte. »Und wo, Louise?«
    »Hm. Wie ist der Dezember in Osijek?«
    Ben Liebermann winkte ab. »Frag nicht.«
    »Habt ihr Schnee?«
    »Manchmal schneit es, ja.«
    »Schnee könnte ein Problem werden. Ich hasse Schnee.«
    Ben Liebermann lächelte nachdenklich.
    »Merkwürdig eben und ein bisschen traurig, Ben.«
    »Klingt interessant.«
    »Na ja, man muss das schon mögen.«
    »Ich mag das.« Er lachte. »Was denkst du von mir, Louise? Ein Zweiundvierzigjähriger, verliebt sich am ersten Tag wie ein Teenager.«
    »Am ersten Tag schon?«
    »Vielleicht auch erst am zweiten.«
    Sie brachte ein Lächeln zustande. Ben Liebermann und sie, was für eine merkwürdige Geschichte, drei Tage, und sie wollte nichts lieber, als sich den Gefühlen und Möglichkeiten und Gedanken und Wünschen hingeben, jetzt, nachdem alles andere erledigt war.
    Erinnern und vergessen in Osijek mit Ben Liebermann.
    Von Carola erzählen, natürlich.
    Darüber sprechen, wer sie war, wer er war. Was es da gab zwischen ihnen. In einem Café an der Drau sitzen, reden, reden, reden und vielleicht endlich verstehen, was mit ihr geschehen war in diesen letzten Wochen und Monaten.
    Wie es mit ihr weitergehen sollte.
    »Eine Antwort, Louise. Was denkst du von mir?«
    »Ich hab dir doch schon eine Antwort gegeben.«
    »Hast du?«
    Sie nickte.
    Dezember in Osijek.

ANMERKUNGEN DES AUTORS
    Alle in diesem Roman auftretenden Figuren sind fiktiv, Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt. Die Informationen zu Schutzberg /Štrpci habe ich vor allem dem Buch
Geschichte der deutschen evangelischen Gemeinde Schutzberg in Bosnien 1895 ‒ 1942
von Ferdinand Sommer entnommen.
     
    Ich danke allen, die mich bei der Arbeit an diesem Roman unterstützt haben, in erster Linie Kriminalhauptkommissar Karl-Heinz Schmid von der Polizeidirektion Freiburg, außerdem Polizeioberrat Armin Bohnert vom Polizeirevier Lahr, Kriminalhauptkommissar Ralph Trefz von der Akademie der Polizei Baden-Württemberg in Wertheim sowie ihrer jeweiligen Dienststelle für die Offenheit und Freundlichkeit, mit der meine Anliegen dort behandelt wurden.
    Ich danke Hilda Beck und Waldemar Held von der Allgemeinen Sozialberatung für Spätaussiedler in Lahr, der Ausländerbehörde des Kreisverwaltungsreferats München, Richard Benda (Wien), Stefan Moser (Völkermarkt), Oberst Viktor Musil vom Bezirkspolizeikommando Völkermarkt sowie in Bleiburg Othmar Mory, Roland Gerdey und A.
    Ich danke den vielen Gesprächspartnern, die meine Fragen zu den Donauschwaben beantwortet haben, darunter die Mitarbeiter des Johannes-Künzig-Instituts für ostdeutsche
Volkskunde (Freiburg) und des Donauschwäbischen Zentralmuseums (Ulm), sowie Nikola Mak und Renata Trišler (Osijek) und Tomislav Wittenberg (Požega).
    Ich danke herzlich (in Osijek und Umgebung) Alex und Sascha für zwei sensationelle Monate, Iva für die Wohnungssuche, Igor für seine Dienste als »Chauffeur« in Slawonien und Bosnien und Antun für Momente wahrhaftiger Erleuchtung.
     
    Ferner danke ich der Robert-Bosch-Stiftung (Stuttgart), die meine Recherchereise nach Kroatien und Bosnien mit Fördermitteln unterstützte (»Grenzgänger«-Stipendium), Sandra Lüpkes und Thomas Koch von der
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