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Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall

Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall

Titel: Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
Autoren: Granger Ann
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hätte. Sie hatte sich die Knie schlimm aufgeschlagen und eine Weile nicht regen können. Sie hatte im Schock in dieser würdelosen Haltung verharrt, und als sie sich von diesem Schock erholt hatte, war der nächste gekommen. Sie konnte nicht aufstehen. Sie hatte auf allen vieren gekauert, zu schwach und zu steif in den Gelenken, um sich aus ihrer Lage zu befreien. Verängstigt und bestürzt hatte sie eine scheinbare Ewigkeit auf das abgetretene türkische Muster gestarrt, die geometrischen Muster und die stumpfen Blau- und Rottöne mit einer Gründlichkeit in sich aufgenommen wie noch nie zuvor. Was für ein eigenartiges Muster, hatte sie gedacht. Wer hat sich bloß so etwas ausgedacht? All diese merkwürdigen Formen!
    Sie hatte eine helfende Hand gebraucht, und niemand war da gewesen, um sie ihr zu reichen. Gott hilft denen, die sich selbst helfen!, hatte sie streng zu sich selbst gesagt. Sie war zur nächsten Tür gekrochen und hatte sich irgendwie mit beiden Händen an der altmodischen Klinke aus Messing in die Höhe gezogen.
    Sie hatte weder Janine noch Tom Burnett ein Wort von ihrem Missgeschick erzählt, als dieser vorbeigekommen war. Warum nicht? Sie hatte sich geschämt, darum nicht. Es ist dir peinlich, du alberne alte Ziege, schalt sie sich, dass du gebrechlich und alt bist. Als wäre es etwas, dessen man sich schämen musste.
    Zu schade, dass Janine gegangen war. Eine Tasse Tee hätte Olivias Lebensgeister geweckt, und nun musste sie nach unten und sie selbst machen. Noch während sie diesen Gedanken dachte, hörte sie irgendwo im Haus eine Holzdiele knarren. Vielleicht war ihre Haushälterin ja doch noch nicht gegangen.
    Olivia blieb stehen.
    »Janine?«, rief sie ungeduldig.
    »Sind Sie das?« Niemand antwortete. Nichts außer altem Holz, das sich am Ende des Tages setzte. Niemand im Haus außer Olivia. Sie war ganz allein, und weil es Freitag war, würde auch Mr Behrens bei seiner Familie sein und den Sabbat genießen. Doch für Olivia bedeutete Freitagabend, dass sie bis zum folgenden Montag allein bleiben würde. Janine kam nicht an den Wochenenden. Olivia setzte sich wieder in Bewegung und erreichte den Treppenabsatz. Sie blickte über das Geländer nach unten in die Halle. Das Schachbrettmuster der Fliesen war sauber und gefegt, doch es glänzte nicht. Sinnlos, Janine darum zu bitten, es zu polieren. Janine würde antworten, dass es zu gefährlich wäre, während sie in Wirklichkeit meinte, dass sie keine Lust auf die zusätzliche Arbeit hatte. Olivia erinnerte sich an eine Zeit, als diese stark vom Aussterben bedrohte Spezies, die Stubenmädchen in ihren schwarzen Kleidern und weißen Schürzen, ein vertrauter Anblick in jedem Haus dieser Größe gewesen war. Diese Zeit war lange vorbei, und Olivia konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Janine sich einverstanden erklären würde, solche Kleidung zu tragen. Das bloße Wort
    »Dienstbote« war zu einem Tabu geworden. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hatte sich bis zur Unkenntlichkeit verändert. Janine behandelte ihre Arbeitgeberin, als wäre Olivia eine ältliche, störrische Tante. Manchmal war es Olivia egal, und sie betrachtete die Tatsache mit mildem Amüsement, doch an anderen Tagen ärgerte es sie über alle Maßen. Wie dem auch sei, dachte Olivia, es macht keinen Unterschied. Sie war von Janine abhängig, auf die ein oder andere Weise. Vielleicht war es einfach eine aufrichtigere Zeit, in der die Janines dieser Welt wussten, welchen Wert sie besaßen. Das zweihundertfünfzig Jahre alte hölzerne Skelett des Hauses knarrte einmal mehr, doch diesmal ignorierte Olivia das Geräusch und setzte sich die Treppe hinunter in Bewegung.
    Rory Armitage blickte gedankenverloren aus seinem Schlafzimmerfenster, während er Salbe auf seine wunden Handflächen strich und über die unangenehme Geschichte vom Nachmittag nachdachte. Gott sei Dank war das Pony der alten Mrs Smeaton unter der Erde und begraben.
    Rory drehte sich zu seiner Frau um.
    »Ich habe ganz vergessen, Max zu fragen, ob er tatsächlich giftige Kräuter auf der Koppel gefunden hat. So bleibt die Sache vielleicht auf ewig ein Geheimnis.«
    Gill murmelte etwas Undeutliches. Sie schlief schon halb, als er neben ihr unter die Decke kroch. Er hatte einen anstrengenden Tag hinter sich und schlief auf der Stelle ein.
    Olivia Smeaton hatte bereits seit einigen Stunden ohnmächtig am Fuß der Treppe in ihrem großen alten Haus gelegen. Unbemerkt schlief sie
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