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Idoru

Idoru

Titel: Idoru
Autoren: William Gibson
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auf das Nachttischmodul und fiel auf der Stelle in einen sehr tiefen Schlaf.
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    Er schlief, bis Arleigh aus dem Foyer anrief und ihm vorschlug, sich auf ein Glas zu treffen. Neun Uhr abends, der blauen Uhr in der Ecke des Modulbildschirms zufolge. Laney zog sich frische, gebügelte Unterwäsche und sein anderes blaues malaysisches Buttondown an. Er stellte fest, daß der weiße Ledersmoking ein paar Nähte an seinem Jackett zerrissen hatte, aber andererseits hatte der Oberrusse, Starkow, den Mann nicht mit in den Van gelassen, also waren sie quitt, fand Laney.
    Als er das Foyer durchquerte, traf er auf einen verzweifelt dreinblickenden Rice Daniels, der vor lauter Nervosität zu der schwarzen Kopfklammer aus seiner Zeit bei Außer Kontrolle zurückgekehrt war. »Laney! Herr im Himmel! Haben Sie Kathy gesehen?«
    »Nein. Ich hab geschlafen.«
    Daniels führte einen seltsamen kleinen, besorgten Tanz auf, bei dem er sich auf die Zehenspitzen seiner braunen Kalbslederslipper erhob. »Hören Sie, das ist wirklich höchst sonderbar, aber ich schwöre – ich glaube, sie ist entführt worden.«
    »Haben Sie die Polizei geholt?«
    »Haben wir, haben wir, aber es ist alles total abstrus, all diese Formulare, die sie auf ihren Notebooks durchsickern lassen, und was für eine Blutgruppe sie hatte … Sie wissen nicht zufällig über ihr Blut Bescheid, oder, Laney?«
    »Es ist dünn«, sagte Laney, »irgendwie strohfarben.«
    Aber Daniels schien ihn nicht zu hören. Er packte Laney an der Schulter und zeigte ihm die Zähne; sein aufgesperrter Mund sollte Freundschaft ausdrücken. »Ich hab echte Hochachtung vor Ihnen, Mann. Weil Sie überhaupt nicht nachtragend sind.«
    Laney sah Arleigh, die ihm von Eingang zur Lounge aus zuwinkte. Sie trug etwas Kurzes und Schwarzes.
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    »Machen Sie’s gut, Rice.« Er schüttelte die kalte Hand des Mannes. »Die taucht schon wieder auf. Ganz bestimmt.«
    Und dann ging er lächelnd auf Arleigh zu und sah, daß sie sein Lächeln erwiderte.
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44 La Purissima
    C hia lag auf dem Bett und sah fern. Dabei fühlte sie sich normaler. Auf diese Weise war es wie eine Droge. Sie erinnerte sich, wieviel ihre Mutter ferngesehen hatte, nachdem ihr Vater weggegangen war.
    Aber das hier war das japanische Fernsehen, in dem Mädchen wie Mitsuko, nur ein bißchen jünger, in Matrosenkostümen riesige Holzkreisel auf einem langen Tisch drehten. Das hatten sie wirklich drauf. Die Dinger fielen nie um. Es war ein Wettkampf. Die Konsole konnte übersetzen, aber es war noch entspannender, wenn man den Kommentar nicht verstand. Das Entspannendste waren die Großaufnahmen der rotierenden Kreisel.
    Bei der NHK-Berichterstattung über die Todesente im Netz und die Kerzenwache beim Hotel Di hatte sie die Übersetzung allerdings eingeschaltet gehabt, um alles zu verstehen.
    Sie hatte gesehen, wie eine äußerst wohltuend pummelige Hiromi Ogawa abstritt, sie wüßte, wer den Site ihrer Ortsgruppe zerstört und dann aus dessen Ruinen heraus zu der Trauerwache aufgerufen hatte. Hiromi hatte Wert auf die Feststellung gelegt, daß es kein Mitglied des Clubs gewesen sei, weder lokal noch international. Chia wußte, daß Hiromi log, weil es Zona gewesen sein mußte, aber die Lo/Rez-Leute würden ihr vorschreiben, was sie zu sagen hatte. Arleigh hatte Chia erklärt, das Ganze sei von einem stillgelegten Website aus gestartet worden, der einem Luft-und Raumfahrtunternehmen in Arizona gehöre. Was bedeutete, daß Zona ihr Land hatte auffliegen lassen, denn jetzt würde sie nicht mehr dorthin zurückkehren können. (Obwohl Arleigh nett zu sein schien, hatte Chia ihr nichts von Zona erzählt.)
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    Und sie hatte die Hubschrauberaufnahmen der Wache und der verdutzten Einsatzkommandos der Polizei gesehen, die schätzungsweise zweieinhalbtausend weinenden Mädchen gegenübergestanden hatten. Es hatte nur wenige Verletzte gegeben, alles ziemlich geringfügige Blessuren, bis auf ein Mädchen, das eine Autobahnböschung hinuntergerutscht war und sich beide Knöchel gebrochen hatte. Das eigentliche Problem hatte darin bestanden, die Mädchen von dort wegzuschaffen, weil viele von ihnen zu fünft oder sechst in einem Taxi hingefahren waren und nun nicht wieder nach Hause kamen. Einige hatten auch das Auto ihrer Eltern genommen, es dann in ihrer Eile, zu der Wache zu gelangen, einfach irgendwo stehenlassen und damit ein weiteres Durcheinander erzeugt. Es hatte ein paar Dutzend Festnahmen gegeben, meistens wegen
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