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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
Autoren: William Gibson
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»Nicht weg«, sagt Yamasaki. »Er ist auf irgendetwas zugelaufen.«
    In den Tiefen des Systems kommt ein Zug an und
schiebt eine Wand abgestandener warmer Luft hinauf zu den Straßen an der Oberfläche und zu einem neuen Tag.

72 FONTAINE
    Fontaine kommt mit einem Krug Wasser und zwei Rotkreuz-Sandwiches von dem geschwärzten Gerippe Richtung Bryant zurück. Es ist seltsam hier, ein richtiges postkatastrophales Szenario, das ihm gar nicht gefällt. Mehr Medienfahrzeuge als Rettungswagen, obwohl auch davon eine ganze Menge da sind. Die Anzahl der Todesopfer ist außerordentlich gering, folgert er und schreibt das dem Naturell der Brückenleute zu, ihrem hartnäckigen Überlebenswillen und einem gewissen Glauben an unorganisierte Kooperation. Wahrscheinlich wird er nie erfahren, denkt er, worum es bei all dem überhaupt ging, was es da für kausale Zusammenhänge gab, aber er ist trotzdem sicher, dass er Zeuge von irgendetwas geworden ist.
    Er hofft, dass Chevette und ihr Freund es geschafft haben, und irgendwie glaubt er es auch. Der Professor ist weg, unterwegs zu den Geschäften, die ein Mann seines Schlages betreibt, und das sind Geschäfte, von denen man am besten nichts weiß. Er wird Martial sagen müssen, dass seine Chain Gun weg ist, aber das ist nicht weiter schlimm. (Gegenüber von seinem Laden hat jemand eine Menge von diesem Zeug namens Kil’Z versprüht, für den Fall, dass sich der schmierige Fleck, den die Chain Gun dort hinterlassen hat, unangenehmerweise als seropositiv erweist.)
    Als er zum Laden kommt, hört er, wie jemand Glasscherben zusammenfegt, sieht, dass es der Junge ist – plattfüßig in seinen großen weißen Schuhen –, und stellt fest, dass der Junge seine Sache wirklich sehr gut gemacht hat, er hat sogar die Sachen auf den heil gebliebenen Borden neu arrangiert.
Dieses silberne Stück Metall, das wie ein überdimensionaler Cocktailshaker aussieht, nimmt einen Ehrenplatz hinter dem glaslosen Rahmen von Fontaines Tresen ein, zwischen Bleisoldaten und zwei Trench-Art-Vasen, die aus den Granathülsen des Kaisers gehämmert sind.
    »Wo ist sie hin?«, fragt Fontaine, während er das Ding betrachtet.
    Der Junge hört auf zu fegen, seufzt und stützt sich schweigend auf seinen Besen.
    »Weg, hm?«
    Der Junge nickt.
    »Sandwiches«, sagt Fontaine und gibt dem Jungen eins. »Wir werden hier für ’ne Weile ziemlich primitiv hausen müssen.« Er schaut wieder zu dem silbernen Behältnis hinauf. Irgendwie weiß er, dass sie nicht mehr drin ist, wer oder was auch immer sie war. Das Ding ist nun ebenso sehr Geschichte wie die in einem französischen Schützengraben aus Granathülsen gehämmerten kruden, aber melancholisch zierlichen Vasen, nicht mehr, nicht weniger. Das ist das Mysterium der Dinge.
    »Fonten.«
    Er dreht sich um, sieht Clarisse mit einer Einkaufstüte in den Armen. »Clarisse.«
    So etwas wie Besorgnis in ihren meergrünen Augen, eine Art Unruhe oder Angst. »Dir geht’s also gut?«
    »Ja«, sagt er.
    »Hab schon gedacht, du wärs’ tot, Fonten.«
    »Nein.«
    »Ich hab was zu essen mitgebracht.«
    »Mit den Kindern alles in Ordnung?«
    »Haben Angst«, sagt sie. »Sind bei Tourmaline.«
    »Da hätt ich auch Angst.«
    Ein Lächeln zuckt um ihre Mundwinkel. Sie kommt näher, nimmt die Tüte beiseite. Ihre Lippen streifen die seinen.

    »Danke«, sagt er und nimmt die schwere Tüte, aus der angenehme Düfte emporsteigen. »Danke, Clarisse.«
    Er sieht Tränen in ihren Augenwinkeln. »Mistkerl«, sagt sie, »wo sind meine Puppen?«
    »Tut mir leid«, sagt er so ernst, wie es ihm möglich ist, »aber die sind dem schrecklichen Feuer zum Opfer gefallen. «
    Und dann brechen sie beide in Gelächter aus.

73 SILENCIO
    »Wo hast du die gefunden?«
    »Treasure Island«, lügt der Junge und schiebt die Armbanduhr, ein festes braunes Plättchen aus Rost, über den Glastresen zu ihm hinüber.
    Silencio späht durch seine Lupe auf den feuchten Metallkeks. Er kratzt mit einer Diamantnadel am Rost. »Edelstahl«, gibt er zu. Ihm ist klar, dass der Junge wissen wird, dass das gut ist, wenn auch nicht so gut wie Gold. Den Preis einer Mahlzeit wert.
    »Ich will sehen, wie du sie reparierst«, sagt der Junge.
    Silencio dreht die Lupe aus seinem Auge und schaut den Jungen an, als sähe er ihn zum ersten Mal.
    »Ich will sehen, wie du sie reparierst.« Der Junge zeigt nach unten, auf die unter dem Glas aufgereihten Armbanduhren.
    »Das Bett«, sagt Silencio. »Du warst mit Sandro hier, als wir die
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