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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
Autoren: William Gibson
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Konzert der heulenden Sirenen. »Du meine Güte«, sagte er. Er schaute in die andere Richtung, nach Treasure hinüber, und dort brannte es ebenfalls, wenn auch anscheinend nicht ganz so stark, aber vielleicht lag das bloß an der Entfernung.

    »Hast du ’ne Taschenlampe?«, fragte Chevette.
    Er zog den Reißverschluss seiner Lucky-Dragon-Hüfttasche auf und fischte eine kleine Lucky-Dragon-Wegwerfleuchte heraus, die er sich noch in L. A. beschafft hatte. Chevette drehte sie an und stieg die Leiter zum Loch im Boden des kleinen Würfels auf dem Turm hinauf, ihrem Zuhause in jener Zeit, als Rydell sie kennengelernt hatte. Nur eine quadratische Öffnung da oben, und er sah, wie sie mit der Lampe hineinleuchtete. »Ist offen«, sagte sie nicht allzu laut, und das veranlasste Rydell, ihr nachzuklettern.
    Als er durch das Loch in den einzelnen Raum stieg, ließ sie gerade den Lichtstrahl der Taschenlampe umherwandern. Hier war nichts, nur Abfall. In einer Wand ein rundes Loch, und Rydell erinnerte sich, dass dort früher ein altes Buntglasfenster gewesen war.
    Er sah ihren Gesichtsausdruck im Lichtschein der Taschenlampe. »Er ist wirklich nicht mehr da«, sagte sie, als könnte sie es selbst nicht recht glauben. »Ich hab wohl gedacht, er wäre noch da.«
    »Hier wohnt momentan keiner«, sagte Rydell, ohne so recht zu wissen, warum.
    »Die Deckenluke ist auch offen«, sagte Chevette und leuchtete mit der Taschenlampe hinauf.
    Rydell ging zu der alten, an die Wand geschraubten Leiter und kletterte hoch. Er spürte feuchtes, splittriges Holz an den Handflächen. Allmählich beschlich ihn das Gefühl, dass es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, hier heraufzukommen, denn wenn die ganze Brücke brannte, würden sie es wahrscheinlich nicht überleben. Er wusste, dass der Rauch ebenso gefährlich war wie das Feuer, und er fragte sich, ob ihr das klar war.
    Und das Zweite, worauf er nicht vorbereitet war: Als er den Kopf durch die Luke schob, wurde ihm der Lauf einer Waffe ins Ohr gesteckt.
    Sein Freund mit dem Schal.

64 MAGISCHES ZEICHEN
    Und als Harwood samt allem anderen inmitten dieser sich ausbreitenden Kälte entschwindet und Laney seine Beine in dem Gewirr aus Schlafsäcken und Bonbonpapier wie von fern in Krämpfen zucken fühlt, ist Rei Toei da und gibt ihm dies magische Zeichen, eine Uhr, rundes Zifferblatt, die zwölf Stunden des Tages und die zwölf der Nacht, schwarzer Lack und goldene Ziffern, und er legt es auf den Raum, den Harwood eingenommen hat.
    Und sieht, wie es eingesaugt, ins Unendliche weggesaugt wird, dorthin, wo Harwood hingeht; eingesaugt vom Mechanismus der Umstülpung selbst, und dann ist es fort.
    Und Laney geht ebenfalls fort, wenn auch nicht mit Harwood.
    »Hab dich«, sagt Laney zur Dunkelheit in seiner stinkenden Schachtel, tief unten inmitten des Unterschallseufzens der Pendlerzüge und des fortwährenden Geklappers vorbeieilender Füße.
    Und ist auf einmal im Sonnenschein von Florida, auf der breiten Betontreppe, die zum nüchternen Eingang eines staatlichen Waisenhauses hinaufführt.
    Ein Mädchen namens Jennifer ist dort, genauso alt wie er, in blauem Jeansrock und weißem T-Shirt, die schwarzen Ponyfransen glatt und glänzend, und sie geht Ferse an Zeh, Ferse an Zeh ganz am Rand der obersten Stufe entlang, die Arme ausgebreitet, um das Gleichgewicht zu halten, wie auf einem Hochseil.
    Balanciert so ernsthaft.
    Als würde sie, wenn sie fiele, bis in alle Ewigkeit fallen.

    Und Laney lächelt, als er sie sieht, und erinnert sich an die Gerüche des Waisenhauses: Marmeladenbrote, Desinfektionsmittel, Modellierton, saubere Laken.
    Und woanders ist die Kälte jetzt überall, aber er ist endlich daheim.

65 FRISCHE LUFT
    Während Fontaine nun das Beil schwingt, geht ihm der Gedanke durch den Kopf, dass er schon ganz schön lange lebt und dies trotzdem eine neue Erfahrung für ihn ist: den schweren Kopf über seinen eigenen zu heben und ihn gegen die Rückwand des Ladens herabsausen zu lassen, so dass das Sperrholz dröhnt.
    Er ist ein bisschen überrascht, dass er einfach so abprallt, aber beim nächsten weit ausholenden Hieb hat er den Kopf umgedreht, so dass nicht die Klinge, sondern der spitze Vierzollnagel auf die Wand trifft, und der gräbt sich äußerst zufriedenstellend hinein und dringt beim dritten Schlag durch, und er verdoppelt seine Anstrengungen.
    »Wir brauchen ’n bisschen Luft«, sagt er ebenso sehr zu sich selbst wie zu den beiden, die auf seinem Bett sitzen,
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