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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
Autoren: Lucy Christopher
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Schönheit zu leben, und überlege, ob es hätte klappen können. Meistens weiß ich allerdings nicht, was ich denken soll.
    Aber das alles hier aufzuschreiben, macht etwas mit mir. Wenn ich im Bett sitze und schreibe, kann ich beinahe hören, wie der Wind über den Sand fegt oder wie die Holzbalken um mich herum ächzen. Ich kann fast das staubige Kamelfell riechen und die bittere Salzmelde schmecken. Und wenn ich träume, spüre ich deine warmen Hände auf meinen Schultern. In deinem Flüstern liegen Geschichten, es klingt wie das Rascheln des Spinifex. Und weißt du, ich trage immer noch diesen Ring … nachts, wenn es keiner sieht. Auch jetzt habe ich ihn bei mir in der Tasche. Ich werde ihn verstecken, bevor heute Nachmittag die Polizeibeamten kommen.
    Sie wollen besprechen, was ich sage, wenn ich in den Zeugenstand gerufen werde. Und vermutlich sollte ich jetzt lieber darüber nachdenken. Es ist nur … ich weiß immer noch nicht genau, wie es sein wird. Dieser Tag vor Gericht kann auf zwei Arten enden … anfangen wird er allerdings gleich.
     
     
    Es wird ein Montagmorgen sein, kurz vor neun. Die Presse wird warten. Ich werde mit gesenktem Kopf zwischen Mum und Dad laufen. Wir müssen uns an Reportern und Passanten und Gaffern vorbeidrängeln. Manche von ihnen werden mich anfassen und mir ein Mikrofon unter die Nase halten. Mum umklammert meine Hand so fest, dass sich ihre Fingernägel in meine Haut bohren. Dad wird einen Anzug tragen. Mum hat für mich auch irgendwas Dunkles, Seriöses ausgesucht.
    Wir werden das Gerichtsgebäude betreten und es wird auf einen Schlag leiser sein. Eine große, elegante Eingangshalle wird uns einhüllen, überall sind Anzugträger. Wir werden Mr Samuels, den Staatsanwalt, suchen. Er fragt mich, ob ich Gelegenheit gehabt habe, meine schriftliche Aussage noch mal durchzulesen. Dann wird er meine Eltern in den Gerichtssaal führen, den Hauptgerichtssaal, und einen kurzen Moment lang höre ich Stimmen und Schritte, bis die Tür wieder ins Schloss fällt. Dann werde ich warten müssen, auf einem kalten, lederbezogenen Stuhl, ganz allein mit meinen Gedanken.
    Nach einer Weile, und diese Zeit wird sich länger anfühlen, als sie ist, öffnet sich wieder die Tür. Jetzt komme ich an die Reihe. Es ist Zeit für meine Zeugenaussage. Die Luft wird mir vorkommen wie ein straff gespanntes Trampolin, das auf meinen Sprung wartet. Alle werden mich anschauen. Auch wenn sie es selbst unhöflich finden, sie werden es trotzdem tun. Der Gerichtszeichner fängt an, mein Gesicht zu skizzieren. Aber ich werde nur eine einzige Person ansehen.
    Du wirst auf der Anklagebank sitzen, deine starken Hände gefesselt. Auch du suchst meinen Blick, und deine Augen sind wie der Ozean. Du brauchst mich jetzt. Und ich werde meine Entscheidung treffen. Dann werde ich mich von dir abwenden.
    Und es wird genau so anfangen, wie es vorgesehen ist. Ich werde nach meinem Namen gefragt, nach meinem Alter, meiner Adresse. Dann fängt es an, interessant zu werden. Sie werden mich fragen, woher ich dich kenne.
    Im ersten Fall werde ich ihnen genau das sagen, was sie hören wollen. Ich werde ihnen erzählen, wie du mich verfolgt hast, wie du … mich gestalkt hast … schon als ich noch klein war. Ich erzähle ihnen, dass du nach England gekommen bist, um deine Mutter zu suchen, aber nur Alkohol und Drogen gefunden hast … und schließlich mich. Ich werde ihnen von deiner Unfähigkeit berichten, dich anzupassen, von deinen verqueren Gedanken über die Wüste und von deiner festen Überzeugung, ich wäre dein einziger Ausweg.
    Dann wird mich der Anwalt über die Szene am Flughafen befragen und ich werde ihm sagen, dass du mich unter Drogen gesetzt und entführt hast. Dass du mich in den Kofferraum deines Autos gesteckt und mich gegen meinen Willen festgehalten hast. Ich erzähle ihnen von den langen, einsamen Nächten in der kleinen Holzbaracke und wie du mich im Bad eingesperrt hast … und dass ich immer damit gerechnet habe, du bringst mich um. Ich werde ihnen von deinen Wutausbrüchen und deinen Stimmungsschwankungen erzählen, von deinen Lügen, und ich werde ihnen auch erzählen, dass du mich manchmal so fest gepackt hast, dass mir die Tränen in die Augen stiegen und meine Haut rot wurde.
    Ich werde dich nicht anschauen, während ich meine Aussage mache. Ich sage einfach das, was sie erwarten.
    »Er ist ein Monster«, werde ich sagen. »Ja, er hat mich entführt.«
    Und der Richter wird seinen kleinen Hammer
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