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Ich will doch nur normal sein!

Ich will doch nur normal sein!

Titel: Ich will doch nur normal sein!
Autoren: Tina J.
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soll es weitergehen? Es ist Zeit zu überlegen, wie es weitergehen soll – kann.
    Ich wollte ehrlich sein, wollte verstanden werden. Wollte sagen, was los ist.
    Irgendwie wusste ich, es bringt nichts, es zu sagen, so direkt zu sagen.
    Klar weiß ich, dass diese Mädchen auch ohne mich nicht mehr am Leben wären.
    Aber ich war nun einmal dabei und die Erinnerungen zerreißen mich fast vor Schmerz und schlechtem Gewissen. Ich lebe mit den toten Mädchen bzw. ich bin auch nicht mehr lebendig. Mein Gott, so, wie ich mich fühle, ich kann so nicht mehr existieren, kann es nicht mehr ertragen.
    Außen: Ruhe, müde, kaputt, Schmerzen, stumm, traurig, leer, isoliert
    Innen: Schmerz, Grauen, Scham, Schuldgefühl, entsetzliche Bilder
    Ich bin auch nicht erwachsen, nicht so, wie ich aussehe. Es ist so seltsam, verheiratet zu sein, einen Haushalt und Bekannte zu haben. Alle sehen mich so, wie ich im Spiegel aussehe. Das stimmt nicht. In Wirklichkeit ist es eine Mischung zwischen 30 Jahren und 8 Jahren oder jünger und „nicht da sein.“ Zeit ist weg. Und dann ist da viel leere Zeit.
    Die Nächte sind am schlimmsten.

    „Nachts“

    Wieder eine Nacht, wieder kein Schlaf
    wieder Bilder, Blut, Geruch, warme Feuchtigkeit an mir
    Schreie in meinen Ohren, Worte, die ich höre
    Warum? Wieso?
    Es tut so weh!
    Die Schreie zerreißen mich innerlich.
    Außen bin ich ruhig.
    Fassade.
    Keiner bemerkt, wie es in mir aussieht.
    Vergessen? Leben? Lachen? Normal sein?
    Wie denn?
    Ich war nicht im Krieg und habe doch im Blut gestanden.
    Die Mädchen haben mir nie etwas getan und doch habe ich ihnen weh getan.
    Ich war dabei, bis sie tot waren.
    Wer bin ich? Was bin ich? Wie bin ich?
    Es lässt mich nicht leben, quält mich, zerreißt mich, schreit mich, macht mich stumm, fühlt mich schuldig, macht mich leer, traurig, einsam, innerlich tot, kraftlos und müde.
    Ich weine, ich weine immer wieder um sie und der Schmerz hört doch nicht auf.

27.08.2007 0.30 Uhr

    Ich habe sehr starke Schmerzen in den Armen, im Nacken und in den Beinen. Ich laufe deswegen schon seit 16.30 rund und versuche dem Wunsch, mir mit ein paar Schnitten Erleichterung zu verschaffen, zu widerstehen.
    Langsam wird es eng. Ehrlich gesagt, wäre es längst passiert, wenn da nicht Schwester Beate wäre und dann wenn da morgen nicht wäre.
    Wieder die Frage: „Wieso haben sie sich nicht gemeldet?“
    Wozu soll ich mich melden? Die Schmerzen kann mir ja doch keiner abnehmen. Ich habe schon vor Schmerzen geheult. Will aber doch versuchen, es durchzustehen.
    Morgen geht Sabine heim. Es geht ihr gut. Ich wünschte, ich könnte auch hier raus. Es ist so schwer, so zu existieren und die Zeit läuft weg. Ich merke es nicht, erst, wenn es wieder Nacht ist und ich Angst habe, zu schlafen. Ich habe schon eine Ewigkeit nachts nicht mehr schlafen können und jede einzelne Nacht ist schlimm.
    Diese ist ohne Bilder, ohne Gedanken, dafür Schmerzen, starke Schmerzen.
    Heute Morgen in Ergotherapie – ich habe meine Tonsachen glasiert und wollte dann noch etwas Neues anfangen. Keine Idee – leer – nichts ging. Versager!
    Ich habe das Gefühl, lange halte ich das nicht mehr durch, ohne mich zu schneiden. Die Tavor helfen nicht und ich halte die Schmerzen nicht mehr aus. Ich bin so müde und weiß vor Schmerzen nicht, wie ich liegen soll. Ich habe das alles so satt, das kann doch keiner ertragen! Der Schwester zu sagen, wie schlimm es mir geht, ändert auch nichts. Die Kopfschmerzen kommen auch wieder. Sie waren gestern schon so schlimm und als ich früh dann ein bisschen zur Ruhe gekommen bin, bin ich immer wieder schweißnass vor Angst wegen den Träumen, die ich immer habe, aufgewacht.
    Ich wünschte mir mal, ohne all die Grausamkeiten im Kopf und ohne Schmerzen zu sein. Ich habe mich selbst in die Enge getrieben, mir keinen Ausweg, außer weiter diese Qual durchzumachen, gelassen. Mein Mann, die Tiere, meine Pflicht, weiter alles in Ordnung zu halten, so dass alles nach außen normal aussieht.
    Ist es nicht. Wird es nie sein! Es wird nur so aussehen. Es wird so sein, wie all die letzten Jahre – nach außen normal – für mich innerlich eine Qual.
    Immer mehr habe ich das Gefühl, nicht dazu gehören zu dürfen, kein Recht zu existieren zu haben. Die Angst macht mich noch einsamer. Angst, was falsch zu machen, wieder bestraft zu werden. Entweder drehe ich fast durch oder ich spüre mich nicht, bin nicht da. Nur Schmerzen sind da und da bin ich auch noch eingesperrt, weil ich mir nicht
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