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Ich will doch nur normal sein!

Ich will doch nur normal sein!

Titel: Ich will doch nur normal sein!
Autoren: Tina J.
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jetzt schon schaffen kann, jetzt, wo es mir so schlecht geht und wieder etwas Neues, Schreckliches hochgekommen ist? Wie soll ich zurechtkommen? Ich habe Angst!
    Die Aufnahme im Beisein von Schwester Hedi verläuft reibungslos – ich war ja schon angemeldet (telefonisch). Schwester Hedi bringt mich noch hoch auf Station und übergibt mich dem dortigen Personal und dann verabschiedet sie sich. Ich bin allein.
    Ich fühle mich auch schrecklich allein, verlassen, verraten, enttäuscht. Bin nur am heulen und innerlich lehne ich das alles, was jetzt auf mich wartet, total ab.
    Da ist aber auch noch das Versprechen von Herrn Dr. S., dass er immer für mich da ist, mir weiterhin helfen wird und vor allem, dass er überzeugt ist, dass es besser wird. Er ist überzeugt, dass ich richtig leben kann! Und, wenn Herr Dr. S. sagt, dass es gut wird, dann will ich ihm glauben. Inzwischen denke ich auch, ich habe so viel durchgehalten, soviel gelitten, es soll nicht umsonst gewesen sein.
    Es wird weitergehen. Wie? Ich weiß es noch nicht. Aber ich habe ein Ziel, das alles soll aufhören, mich zu quälen (ich weiß, es wird immer da sein) und ich will endlich richtig leben. Mich normal fühlen. Ich habe festgestellt, immer dann wenn das Erlebte mit den dazugehörigen Gefühlen übereinstimmte und, wenn ich den Schmerz überstanden habe, ihn aushalten kann, dann war ich wieder einen Schritt weiter zum richtigen Leben.
    Ich habe mich entschieden zu leben. Ich habe die Aufgabe, das Buch zu veröffentlichen. Als ich angefangen habe zu schreiben war es erst, weil ich nicht reden konnte, dann um nicht reden zu müssen, aber letztendlich doch, um alles loszuwerden. Erst viel, viel später rieten mir vor allem Schwester Hedi und Herr Dr. S. dazu, dieses Buch zu schreiben. Ich wollte nicht mehr allein sein damit, und auch, um all denen, die sich mit ihrer Geschichte quälen, Mut zu machen. Mut? Ja, Mut zum Leben, denn ich kann nun doch nach all dem, aber vor allem durch die konstante Hilfe und das Vertrauen von Herrn Dr. S. leben.
    Richtig leben?
    Ja, es geht. Ich fühle mich normal, kann lachen und ich weiß, dass ich mich nicht mehr schlecht und verlogen fühlen muss, mich nicht mehr schämen muss. Ich fühle mich frei, fühle mich endlich normal. Ich denke nun nicht mehr, dass ich alle anlüge.
    Ich muss mich nicht mehr schlecht und verlogen fühlen, weil ich den Mut hatte, meine Geschichte aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Ich lüge nun niemand mehr an, habe die Wahrheit über mich und alles Erlebte hier aufgeschrieben. Ich habe nichts weggelassen und alles ehrlich aufgeschrieben, damit es mir hilft, mich nicht mehr so schlecht zu fühlen.
    Ich habe dieses Buch auch für alle geschrieben, die Schlimmes, Grausames erlebt haben und nicht mehr daran glauben, dass das Leben je normal wird, die immer wieder zweifeln, dass es je besser werden könnte.
    Ich möchte einfach nur sagen, es lohnt sich trotz aller Qualen, die eine Therapie mit sich bringt, diese auf sich zu nehmen und für sich zu kämpfen.
    Das Schlimmste ist doch schon überlebt – das war doch damals und nun kommt es darauf an, die Gespenster von damals noch zu überwältigen. Klingt dramatisch. Aber ich meine, die Kindheit, ist von uns überlebt worden, also werden wir das jetzt auch schaffen!
    Ich habe 20 Jahre gekämpft, hatte viel und sehr gute Hilfe. Ich habe mich in den ganzen Jahren immer wieder in allen Büchern gesucht – einfach um Hilfe zu finden, Hoffnung zu finden. Jemand zu finden, der es geschafft hat. Ja, ich wollte immer wieder wissen:
    „Kann man damit leben?“
    Man kann damit leben. Meine Geschichte gehört jetzt zu mir, ist meine Vergangenheit und ich habe Zeiten, wo ich schrecklich trauere und sehr viel weine. Der Schmerz mich fast auffrisst. Aber ist dieser Schmerz nicht gerechtfertigt. Ich lasse ihn zu und kenne jetzt das Gefühl SCHMERZ – es ist mir nicht mehr unbekannt und ich muss mich nicht mehr schneiden, um ihn auszuhalten.
    Ich lasse diese Zeiten zu, verdränge sie nicht. Sie gehören zu mir – so, wie jetzt auch endlich das Lachen zu mir gehören kann.
    ICH DARF AUCH LEBEN, denn ich habe keine Schuld auf mich geladen auch, wenn ich mich mein ganzes Leben lang schuldig gefühlt habe. Ich wollte nie Böses tun und hätte nie Böses getan.
    Immer wollte ich lieber tot sein, tot, wie diese Mädchen. Es war mir leider nicht vergönnt, deshalb bin ich noch da. Schwester Hedi meinte, ich muss dieses Buch auch für die Mädchen herausbringen,
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