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Ich will doch nur normal sein!

Ich will doch nur normal sein!

Titel: Ich will doch nur normal sein!
Autoren: Tina J.
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geweint, wusste aber nicht, warum. Es wurde auch nicht danach gefragt. Irgendwann wurde ich wieder entlassen – es ging mir noch genauso schlecht. In dieser Zeit haben mein Vater und meine Stiefmutter mich nie besucht, nicht ein einziges Mal.
    Ich glaube, es war selbstverständlich so für mich. Es ist mir gar nicht aufgefallen und hat mir nicht gefehlt, dass sie nicht kamen. Meine Wäsche wurde in der Klinik versorgt, nein, ich glaube, ich habe sie immer im Waschbecken gewaschen und auf der Heizung getrocknet. Ich war damals fast ein Jahr dort, obwohl mir im Nachhinein der Zeitraum nicht real erscheint, ich habe die Zeit gar nicht wahrgenommen. Mir war alles egal – ich habe nicht gelebt, ich habe nur existiert. Ich kann von diesem Jahr nichts erzählen, es ist wie eine leere Zeit, ich weiß nicht, wer noch dort war. Ich kann mich an kein Personal erinnern. Ich habe soviel Faustan bekommen, dass ich einfach nichts mitbekam. Mir war alles egal, nichts hat mir gefehlt, nichts habe ich vermisst. Da war der Garten, das Zimmer mit Bett, Tisch und Stuhl und Waschbecken. Ich habe nichts vermisst, was hätte ich vermissen sollen?
    Als ich entlassen wurde und wieder heimkam, ging es so weiter, wie vorher. Ich bin wieder auf Arbeit gegangen und habe so getan, als wäre alles normal, als wäre ich normal – angepasst an das Verhalten der Anderen eben – alles so machen, wie es erwartet wird und so tun, als ginge es mir gut. Ich habe so getan, als wäre mein Leben normal.
    Es war nicht normal!
    Jeden Abend, wenn mein Vater aus der Kneipe kam, brachte er irgendwelche Saufkumpane mit. Alles Kerle, die sich noch umsonst weiter voll laufen lassen wollten und mein Vater hatte ja immer genug von dem Saufzeug im Haus. Alte Kerle, junge Kerle, manche kannte ich, die meisten nicht. War ja auch völlig egal – ich wollte niemand davon kennenlernen. Meine Stiefmutter ging immer ins Bett, wenn es ihr zuviel wurde, wenn die Kerle zu voll waren und anzüglich wurden, dann holte mein Vater mich aus dem Bett, damit ich seine „Gäste“ bedienen sollte (Aschenbecher leer machen, Bier und Schnaps auffüllen, was zu Essen vorsetzen.) Meine Stiefmutter hat es nicht interessiert, dass er mich aus dem Bett holte, wenn die besoffenen Kerle im Haus waren – es war ihr egal, Hauptsache, sie hatte ihre Ruhe. Sie musste nicht am nächsten Tag auf Arbeit oder früh in die Lehre, sie konnte ausschlafen. Mein Vater auch, er hatte sich selbständig gemacht und so konnte er erscheinen, wann er es für richtig fand und das war meist erst so gegen Mittag, wenn er wieder nüchtern war. Die Beiden konnten also schön schlafen und ich musste müde und nach Rauch stinkend auf Arbeit. Für meinen Vater war das ein Spaß, er führte mich vor, wie auf dem Jahrmarkt- gute Hausfrau, gute Köchin und mit Sicherheit auch gut im Bett. Diese besoffenen Schweine versuchten dann natürlich meist etwas mit mir anzufangen, mich voll quatschen, mich betatschen und ich hatte alle Mühe, mich in Sicherheit zu bringen oder mich zu wehren.
    Ich wollte nicht so werden, wie mein Vater es mir immer sagte, wie ich sei, eben schlecht, liederlich, nuttig und genau, wie meine Mutter. Er sagte mir ja jeden Tag, wie schlecht ich doch bin und dass ich mit jedem, der mir über den Weg laufen würde, rummachen würde. Es stimmte nicht und das wusste er sehr genau, denn wie sollte ich überhaupt mit irgendjemand außerhalb der Schule reden, wenn ich nur zu Hause eingesperrt war und nirgends hin durfte. Er selbst war bekannt dafür, dass er jedem Weiberrock im Ort hinterherlief. Ich kannte das Gerede aus der Schule und meine Stiefmutter hat sich auch oft genug bei mir über ihn beklagt. Natürlich hat da jeder gedacht, die Tochter ist genau wie der Vater, gut zum Amüsieren, aber nichts Anständiges.
    Eins wusste ich aber, mein Vater hat mit Sicherheit nicht erzählt, was er mir die ganze Zeit antat, das wussten die also nicht, doch trotzdem fühlte ich mich so, wie mein Vater mich versuchte darzustellen. Ja, das wussten diese geilen Schweine nicht und ich habe es geschafft, keinen von denen an mich heran zulassen. Wie ich das geschafft habe, weiß ich nicht. Ich weiß nur, er sollte nicht gewinnen, sollte mir nicht beweisen, wie schlecht ich bin – ich wusste es schon – nur die Anderen wussten es nicht. Heute sehe ich das aus einer anderen Sicht.

    Mein Vater konnte nur durch mein Schweigen und dadurch, dass er mir die Schuld gab, so mit mir umgehen. Ich war nicht diejenige, die
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