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Ich will dir glauben

Ich will dir glauben

Titel: Ich will dir glauben
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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Er hatte sie beschattet und dann eins und eins zusammengezählt.
    Ich bin mir fast sicher, dass es so gewesen sein muss. Aber er hat diese Version nicht erzählt, hat sie komplett unterschlagen und etwas ganz anderes behauptet. Er hat nicht ausgesagt, dass er der Vater des kleinen Antonio ist, eines der misshandelten Kinder. Aus einem einfachen Grund, um sein Kind zu schützen. Er hatte keine der Misshandlungen zur Anzeige gebracht. Nie Gerechtigkeit verlangt. Gerechtigkeit. »Kennen Sie denn eine Strafe, die einer solch grausamen Tat angemessen wäre?«, wollte er von mir wissen.
    Ich hatte keine Antwort auf seine Frage gehabt. Vor mir tauchen noch einmal die Gesichter der Eltern auf. Ihre Blicke, die alle auf mich gerichtet waren. Niemand, außer ihnen, weiß, dass ich und Saverio uns schon einmal gesehen haben. Niemand von ihnen hat um eine Zeugenaussage gebeten. Auch der Vater von Arianna, des zuletzt entführten Mädchens, wusste es. Aber auch er schwieg.
    Die Carabinieri von Aosta spielten die Tatsache, dass ich unbefugt ermittelt hatte, herunter. Sie bestätigten nur, dass ich Don Paolo kannte, den Priester der Gemeinde von Valle, der sich kurz zuvor erhängt hatte, und dass ich bereits als Kind regelmäßig meine Ferien dort in den Bergen verbracht hatte. Und dass ich mich über den Verlauf der Ermittlungen erkundigt hatte. Weiter nichts.
    Ich und Saverio, wir kannten uns also. Doch keiner von uns beiden hat das je erwähnt.

12
    »Maria Dolores, ich werde Sie zwar mit Ihrem Vornamen anreden, aber weiterhin siezen. Ich möchte eine strikte Trennung zwischen Privatem und Beruflichem, zumindest bis zum Abschluss des Prozesses.« Mein Anwalt verkündet seine Absichten gleich vorneweg und schätzt mich sichtlich falsch ein.
    Ich antworte ihm ebenso unverblümt: »Sie können auf der Stelle wieder gehen. Mir ist egal, ob Sie der Beste von allen sind. Ich werde gesiezt, und zwar mit Nachnamen, und Sie bleiben mir weg.«
    Der Anwalt greift nach seiner schlichten schwarzen Ledertasche und erhebt sich vom Sofa. Entschiedenen Schrittes steuert er auf die Wohnungstür zu, gefolgt von meiner Freundin Marta, die als Richterin arbeitete. Sie war es gewesen, die darauf gedrängt hatte, ihm meinen Fall zu übertragen. Die beiden verband eine längst vergessene Bettgeschichte, und die Option auf Beischlaf war nun offenbar direkt an mich weitergereicht worden.
    Sie versucht ihn zurückzuhalten. »Nun komm schon. Maria Dolores ist ein wenig durcheinander, das Ganze ist nicht leicht für sie. Am besten wir legen gleich zu Beginn einige Grundregeln fest, um Missverständnisse zu vermeiden und besser miteinander auszukommen.« Dann richtet sie ihren Blick auf mich. »Doris, Max Nagel ist der beste Anwalt, den du finden kannst. Er hat für dich in kürzester Zeit den Hausarrest erwirkt. Versuch mal, nicht ganz so streng zu sein. Wo bleibt dein Sinn für Ironie?«
    Wo früher Ironie war, hatte sich nun Sarkasmus Platz gemacht, der sich gegenüber gewisser, nicht weniger, Vertreter der menschlichen Rasse in blanke Abneigung verwandelte. Marta hat im Grunde recht. Nagel hatte geschickt verhandelt und den Richter davon überzeugt, dass eine Untersuchungshaft unverhältnismäßig sei. Es war ihm gelungen, in knappen, treffenden Worten meine Person zu umreißen.
    »Sie ist nicht vorbestraft, eine Kommissarin mit tadelloser Vergangenheit – was das Risiko einer wiederholten Straftat einschränkt –, sie ist nach dem Vorfall nicht geflohen, und eine Fälschung der Beweismittel wäre äußerst schwierig.«
    Bei mir handele es sich um einen »einfachen Fall«. Es gebe weder Zeugen, die sich bestechen ließen, oder Waffen, die man verschwinden lassen könne, noch Spuren zu verwischen. Mein Verteidiger plädierte auf Freispruch. Der Richter hielt allerdings aufgrund der Schwere der Umstände am Hausarrest fest, weil ich von meinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hatte und weil trotz allem weiterhin der Verdacht auf vorsätzliche Tötung bestand. Zudem war ich zum Zeitpunkt des Geschehens nicht dienstlich vor Ort gewesen.
    Auch Saverio, gegen den wegen derselben Straftat ermittelt wurde, hat einen Hausarrest erwirken können, allerdings mit einem anderen Anwalt, flüstere ich Marta leise ins Ohr. Sie wendet ein, er habe, im Gegensatz zu mir, auch sofort eine Aussage gemacht. Dann gibt sie mir ein Zeichen, besser still zu sein. Aber ich lasse nicht locker. »Sehe ich vielleicht wie jemand aus, den man besser hinter Schloss und Riegel
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