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Ich will dir glauben

Ich will dir glauben

Titel: Ich will dir glauben
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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steckt?«
    Sie wiegt ihren Kopf hin und her, was so viel heißen soll wie »Bei dir kann man sich nie sicher sein«. Und ich kann nicht umhin zuzugeben, dass es unter diesen Umständen nur eine einzige Person an meiner Seite gibt, die bereit wäre, ihre Hand für mich ins Feuer zu legen, und die ich genau dafür bezahle: meinen Anwalt.
    Max Nagel. Sein Name war Programm. Schnell, zielgenau und effizient. Gerissen und scharfzüngig, wenn es der Moment erforderte. Ein moderner Superheld. Honorare von schwindelerregender Höhe und ein auf seinen Namen reserviertes, luxuriöses Zimmer in einem Fünf-Sterne-Hotel, falls noch ein Bonus dazukam. Ich mustere ihn mit Abstand und kann das klebrige Gel seiner pomadigen Haare förmlich an meinen Fingern spüren. Am liebsten würde ich seinen Kopf packen und unter einen Wasserhahn halten. Er legt eine Ruhe an den Tag, die den Schönen, Reichen und Berühmten vorbehalten ist. Ob Ironie oder Arroganz ist schwer zu unterscheiden. Er wäre genau mein Typ, das kann ich nicht bestreiten. Doch nicht jetzt und nicht hier. Im Gegenteil: Seine Selbstsicherheit, die ich in diesem Augenblick so sehr vermisse, stößt mich regelrecht ab. Ich beneide ihn darum und hasse ihn umso mehr. Aus einer schlichten Notwendigkeit heraus, habe ich meine Antipathie ihm gegenüber beiseitegelegt und ihn als meinen Verteidiger akzeptiert.
    Eine Minute lang bleibt er noch stehen, mit dem Rücken zu mir gewandt, dann dreht er sich um und kommt auf mich zu. Er will bleiben, das habe ich begriffen. Er weiß, dass eine Menge Leute meinen Prozess verfolgen werden, was ihm eine entsprechende Plattform bieten würde. Ein Missbrauchsfall mit Bilderbuchurteil. Ein als Notwehr getarnter Racheakt, der durch die Komplizenschaft einer ehrbaren Kriminalbeamtin vollendet werden konnte.
    Er schaut mich an, und ich begreife, dass er an etwas anderes denkt. Das ist mir nicht entgangen. Jetzt hat er auch mich dazu gezwungen, an etwas anderes zu denken. Aber ich habe keinen Kopf dafür. Und vor allem keine Lust. Ohne mich anzublicken, öffnet er seine Aktentasche, zieht ein Papier hervor. »Also, noch einmal von vorne. Das ist die Erklärung, die der andere Beschuldigte bei seiner Verhaftung zu Protokoll gegeben hat und deren Gültigkeit bestätigt wurde.«
    Der andere Beschuldigte , sagt er. Der andere, neben mir. Beschuldigt. Der Tötung beschuldigt. Manchmal sage ich das laut vor mich hin. Ich werde der vorsätzlichen Tötung einer Frau beschuldigt. Meine Aufmerksamkeit kehrt wieder zu Nagel zurück, der aus dem Schriftstück laut vorliest: » An jenem Morgen bin ich früh aufgestanden, um in den Wäldern von Challand jagen zu gehen. Ich kenne das ganze Gebiet wie meine eigene Westentasche und vor allem diese Gegend dort. Ich begegnete kaum Tieren, daher hatte ich mein Gewehr auch noch nicht angelegt. Länger als eine Stunde streifte ich durch den Wald und befand mich auf Höhe der Minen, als ich das Geräusch von raschelndem Laub etwas unterhalb von mir vernahm. Ich dachte sofort an eine Beute und blieb reglos stehen. Dann sah ich die Silhouette eines Menschen den Berg hinaufsteigen. Ich hielt Ausschau, ob es sich vielleicht um einen meiner Jagdfreunde handelte, erkannte stattdessen jedoch eine Frau, die ich zuvor bereits des Öfteren in unserem Dorf gesehen hatte: Hauptkommissarin Vergani. Ich wollte warten, bis sie näher kam, um sie zu grüßen. Ohne viel Lärm zu machen, der Tiere wegen. Dann verlor ich sie jedoch hinter Felsbrocken und Bäumen wieder aus den Augen. Ich ging ihr ein Stück entgegen, doch als sie wieder in mein Blickfeld trat, war sie nicht mehr allein. Hinter ihr, etwas unterhalb versetzt, kam eine zweite Gestalt den Berg hinauf, in der ich die Haushälterin von Don Paolo wiedererkannte. Während ich noch zu erkennen versuchte, ob sie es wirklich war, bemerkte ich plötzlich, wie sie sich von hinten der Kommissarin näherte, beide Hände um deren Hals legte, im Begriff, sie zu erwürgen. Sie war größer und kräftiger als die Kommissarin. Sie hätte sie ohne Weiteres töten können. Deswegen habe ich auf sie gezielt und geschossen.«
    Alles gelogen, frei erfunden, abgewandelt und verändert, was mein Topverteidiger da gerade vorgetragen hat. Die falsche Zeugenaussage meines Leidensgefährten. Das klägliche Produkt seiner Phantasie, um schadlos aus der ganzen Sache herauszukommen.
    »Mit dieser Aussage wird sein Anwalt auf Notwehr plädieren«, fügt Nagel ergänzend hinzu. »Wollen Sie mir nicht
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