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Ich will dir glauben

Ich will dir glauben

Titel: Ich will dir glauben
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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wohlriechend, das Bad, um in seinem Arbeitszimmer den Anruf entgegenzunehmen.
    »Corsari«, meldet er sich und drückt den Hörer gegen sein Ohr.
    »Hallo?« Die Leitung wird unterbrochen.
    »Wer war das?«, brüllt er der Dame von der Vermittlung über den Gang zu.
    »Ich weiß es nicht. Es war eine Männerstimme.«
    Ein weiteres Mal klingelt das Telefon. Corsari hebt ab und lauscht in den Hörer. »Hört sich an, als wäre es nichts Dramatisches. Ich schicke Ihnen später jemanden vorbei, in Ordnung?« Dann legt er auf, denkt kurz nach und ruft nach Funi.
    »Gehen Sie zu dieser Adresse. Überprüfen Sie, was da los ist, und schauen Sie sich ein wenig um.«
    »Soll ich alleine hingehen?«, fragt Funi und nimmt den Zettel mit den Notizen entgegen.
    »Ja«, antwortet sein Vorgesetzter.
    »Ich habe übrigens mit Hauptkommissarin Vergani gesprochen. Sie lässt Ihnen schöne Grüße ausrichten.«
    Corsari nickt stumm. Doch Funi hat gelogen. Seit einigen Tagen schon konnte er sie nicht mehr erreichen, und er befürchtet, dass niemand außer ihm freiwillig diese Bürde übernehmen wollte. Dass niemand nachvollziehen konnte, in welchem Sumpf Maria Dolores Vergani gerade im Begriff war zu versinken. Also täuschte er einfach vor, in Kontakt mit ihr zu stehen, und heuchelte Gelassenheit und Teilnahmslosigkeit. Er versuchte, eine Verbindung aufrechtzuhalten, auf die nur wenige im Präsidium wirklich Wert legten.
    Pietro Corsari bezog zu dem Ganzen keinerlei Stellung. Er hatte bisher noch kein einziges Mal klar seine eigene Meinung geäußert. Und es war nicht einmal daran zu denken, ihn irgendwie dazu zu bewegen.

8
    »Mir geht es gut, danke.«
    »Brauchst du etwas? Ich wollte sowieso gerade einkaufen gehen. Wenn du willst, bringe ich dir das Nötigste vorbei.«
    »Das hast du mich doch schon vor einer Stunde gefragt, Mama. Ich brauche nichts.«
    »Wenn dir trotzdem noch was einfällt, ruf mich an.«
    »Danke, aber ich habe alles da. Du hast doch gestern erst für mich eingekauft.«
    »Wann triffst du denn diesen Anwalt?«
    »Ich lass es dich wissen, Mama. Mach dir nicht zu viele Gedanken. Bis später.«
    Ich habe gelogen. Es geht mir nicht gut. Ich finde keine passenden Worte für den Gefühlszustand, in dem ich mich befinde. Ich weiß nur, dass er mich erdrückt. Ich versuche, mich still zu verhalten, mich so wenig wie möglich zu bewegen. Ich höre auf meinen Atem, um das Tempo zu drosseln, mit dem er sich von allein bewegt. Ich entspanne meine Gesichtszüge, löse meine verkrampfte Mimik. Meine Augen fixieren einen Punkt, dann schweifen sie wieder ab. Ich schalte den Fernseher ein, höre Worte und sehe Gesichter an mir vorüberziehen. Ich spreche wenig und habe wieder zu rauchen begonnen. Meine Finger riechen nach Nikotin. Um meinen Mund gibt es wahrscheinlich ein paar Falten mehr. Daran will ich gar nicht denken.
    Ich nehme nur Anrufe am Festnetz entgegen. Der Klingelton ist auf leise gestellt, ich kann ihn kaum hören. Zu Hause rufen mich nur wenige Leute an: meine Mutter, ein paar Freundinnen, Anwälte und noch einige andere. Mein Diensthandy wurde bei meiner Verhaftung von der Polizei beschlagnahmt. Mein privates Handy habe ich seit Monaten nicht mehr angeschaltet, nachdem ich mit Anrufen bombardiert worden war. Mir war nicht klar gewesen, wie viele Leute eigentlich meine Nummer hatten. Das Nutzlose, der Überfluss stürzt über einen herein, wenn man eigentlich nach dem Wesentlichen sucht.
    Ich begreife jetzt erst die rettende Wirkung, die Verwirrtheit haben kann. Alles verschwindet hinter einem schützenden Nebel. Oder vielleicht ist es nur der Zigarettenrauch. Eine Schachtel am Tag, von der mir übel wird und die mich zum Schlafen zwingt. Genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich bewirken sollte. Ich ertrage meine Gedanken nur, wenn sie stillstehen.

9
    Der liebe Herr Doktor scheint etwas ins Schwitzen zu geraten, behält dabei nichtsdestotrotz eine sachliche Miene. Keine fahrigen Gesten, kein Wort zu viel. Der Beruf formt gewöhnlich den Menschen. In diesem Fall jedoch war seine psychische Konstitution das Augenfälligste: kühl und mit einer extremen Selbstbeherrschung, ohne das Gebaren eines Schwätzers.
    Ihm zur Linken sitzt sein gut siebzigjähriger Anwalt, der eine wunderschöne, seinem Alter entsprechende Zahnprothese zur Schau trägt.
    »Was haben Sie mit all den gezogenen Zähnen gemacht?«, fragt Funi, während sich Corsari die aktuellsten Strafanzeigen durchsieht.
    »Mein Mandant ist zu keiner
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