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Ich will dir glauben

Ich will dir glauben

Titel: Ich will dir glauben
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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Mund hatten? Gebisse, die, wie es scheint, schon nach einigen Monaten brüchig wurden? Was um Himmels willen ist denn in Sie gefahren?«, versucht Funi es auf der persönlichen Schiene.
    Während Pietro Corsari die Strafanzeigen durchblättert, kann er sich nur schwer ein Grinsen verkneifen. »Dieser hier zum Beispiel. Fünfundvierzig Jahre und keinen einzigen Zahn mehr im Oberkiefer. Sie sind wirklich ein Pfuscher.«
    »Ich möchte mit meinem Anwalt sprechen.«
    »Gut. Und lassen Sie sich von ihm auch gleich erläutern, was Sie erwartet«, merkt Funi an.
    »Ich weiß selbst, was für mich auf dem Spiel steht, aber das macht mir keine Angst. Ich kann beweisen, dass diese Zähne über kurz oder lang von selbst ausgefallen wären. Die Patienten kamen zu mir in dem Wissen, dass ich spezielle Prothesen einsetze. Ich habe eine Diagnose erstellt, und sie haben ihr Einverständnis gegeben.«
    Keine Narben, keine amputierten Gliedmaßen. Im Gegenteil. Die Patienten waren vor und nach dem Eingriff fotografiert worden, und das Ergebnis war in der Tat erstaunlich.
    »Eine letzte Sache noch«, meldet sich Funi noch einmal aus reiner Neugier. »Was haben Sie eigentlich mit den ganzen Zähnen gemacht?«
    »Das geht Sie nichts an«, lautet seine schnippische Antwort, und etwas Unausgesprochenes bleibt im Raum zurück.

7
    Pietro Corsari ist groß gewachsen, besitzt Charme und ein gepflegtes Auftreten. Er strahlt eine gewisse Distanziertheit aus, die ihn umso anziehender macht. Er hat sich nie wirklich anstrengen müssen. Intelligent, zielbewusst, mit jenem Habitus des Perfektionisten, der bei manchen Menschen Teil des Erbguts zu sein scheint. Glaubt man Maria Dolores Vergani, gehört Mode nicht gerade zu seinen Stärken. Aber nicht etwa, weil es ihm an Geschmack fehlen würde. Schuld daran war vielmehr seine einzige wirkliche Schwäche: möglichst wenig Aufsehen um sein Äußeres zu machen, aber immer im Bewusstsein dessen, dass die Natur es mit ihm mehr als gut gemeint hat. Auch, und vor allem, durch seine Redegewandtheit. Sein Philosophiestudium hat ihm vermutlich dabei geholfen, Dinge kritisch zu hinterfragen. In anderen Bereichen hingegen war er eher denkfaul. Etwas besteigen gehörte zu seinen größten Leidenschaften: ob im Reitsport (Pferde), im Motorsport (Motorräder, die er in allen möglichen Ausführungen besaß) oder in zwischenmenschlichen Belangen (Frauen). Seine neueste Eroberung war etwas zu jung, zu osteuropäisch und zu willig. Zeitgleich hatte seine Lebensgefährtin endlich gehandelt und die über zwanzigjährige Dauerbeziehung mit ihm beendet. Perfektes Timing.
    Das Interregnum des Singledaseins, das ihm von den Ereignissen aufgezwungen worden war, nutzt Corsari dazu, Frauen kennenzulernen, zu treffen und zu vögeln. Ohne die geringste Absicht, etwas an seiner Situation zu ändern. Ein heikler Zeitpunkt, denn das Beste könnte ausgerechnet in dem Moment vorüberziehen, in dem man es am allerwenigsten erwartet. Aber was, wenn man nicht einmal offen dafür ist, es zu bemerken? Oder man gerade blind vor Rache alles zerstört, was einem zu nahe kommt – im Namen eines abgestandenen Schmerzes, mit dem man sich noch immer nicht ausgesöhnt hat?
    Corsari betritt früher als gewöhnlich und unrasiert das Präsidium. Ohne einen Kaffee zu trinken, verschwindet er sofort im Bad. In dem Schränkchen mit dem metallenen Namensschild findet er alles, was er braucht: einen alten Rasierer mit Doppelklinge, Vetiver Rasierschaum und das entsprechende Aftershave dazu. Er schaltet das kleine Kofferradio ein, das bereits auf eine dieser seichten Morgensendungen eingestellt ist, schüttelt die Sprühdose und streicht die dichte, weiße und duftende Schaumwolke gleichmäßig auf seine Wangen. Systematisch beginnt er sich das Gesicht zu rasieren, immer von innen nach außen, wobei er beim ersten Durchgang den Mund- und Nasenbereich ausspart. Hals und Kinn kommen ganz zum Schluss dran. Während er sich im Spiegel betrachtet, denkt er an die Hände seines weiblichen Barbiers, eine der wenigen Frauen in Mailand, die diesen Beruf ausüben. Schlanke, entschlossene Hände. Jemand klopft an die Tür, doch er antwortet nicht. Kurz darauf ertönt eine energische Stimme: »Herr Kommissar, Sie werden am Telefon verlangt.« Corsari blickt auf die Uhr. Sieben Uhr dreißig, eine Stunde noch bis Dienstbeginn. Knurrend rasiert er sich zu Ende, säubert sein Gesicht mit Wasser nach und trocknet es ab. Schließlich verlässt er, gelöst und
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