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Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst
Autoren: Paul Ekman
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Auseinandersetzung standhielten. Ich entschied mich, mit der Veröffentlichung des Buches nicht zu warten, bis alle Antworten gegeben waren. Denn diejenigen, die Lügner zu entlarven versuchen, warten nicht. Wo bei einem Fehler am meisten auf dem Spiel stand, wurden bereits Versuche unternommen, nonverbale Anhaltspunkte für Täuschungsmanöver ausfindig zu machen. Sogenannte Experten, die mit der wissenschaftlichen Diskussion nicht genügend vertraut waren, boten ihre Dienste als Lügenermittler bei der Auswahl von Geschworenen und bei Einstellungsgesprächen an. Einige Polizisten und andere, die ebenfalls professionell mit dem Lügendetektor arbeiteten, wurden im Umgang mit nonverbalen Anhaltspunkten für eine Täuschung geschult. Doch ungefähr die Hälfte der Informationen in den Unterrichtsmaterialien, die ich sichtete, war falsch. Zollbeamte nahmen an einem Spezialkurs teil, um nonverbale Hinweise auf Schmuggelaktionen zu entdecken. Man sagte mir, dass meine Erkenntnisse bei diesem Kurs benutzt würden, aber wiederholte Anfragen, das Unterrichtsmaterial einsehen zu dürfen, führten lediglich zu dem wiederholten Versprechen, «wir melden uns umgehend wieder bei Ihnen».
    In Erfahrung zu bringen, was die Geheimdienste trieben, war ebenfalls unmöglich. Ich wusste von ihrem Interesse an meiner Arbeit, seit das Verteidigungsministerium mich einmal eingeladen hatte, zu erläutern, welche Möglichkeiten und Gefahren meiner Meinung nach damit verbunden waren.
    Danach hörte ich immer wieder Gerüchte, dass die Dienste ihre eignen Projekte weiterverfolgen. Ich konnte auch die Namen der Leute ausfindig machen, die damit zu tun hatten, doch meine Briefe an sie wurden entweder nicht beantwortet, oder man speiste mich mit dem Satz ab, man dürfe mir nichts sagen. Ich machte mir Sorgen wegen all dieser «Experten», die sich weder einer öffentlichen Überprüfung noch der beißenden Kritik der Wissenschaftsgemeinde stellten. Dieses Buch sollte ihnen und ihren Arbeitgebern meine Sicht der Gefahren und der Möglichkeiten verdeutlichen.
    Als ich das Buch schrieb, richtete ich mich aber nicht nur an diejenigen, die mit lebensbedrohlichen Täuschungsmanövern zu tun haben. Ich bin überzeugt, dass die Beschäftigung damit, wie und wann Menschen lügen, zum Verständnis vieler zwischenmenschlicher Beziehungen beitragen kann. Nur bei wenigen kommt Täuschung oder zumindest potenzielle Täuschung nicht vor. Eltern lügen ihre Kinder an, wenn es um Sex geht, um ihnen ein Wissen zu ersparen, das sie für nicht kindgerecht halten. Genauso werden ihre Kinder, sobald sie Heranwachsende geworden sind, ihre sexuellen Abenteuer geheim halten, weil die Eltern sie sowieso nicht verstehen würden. Lügen gibt es zwischen Freunden (selbst Ihr bester Freund wird das nicht zugeben), zwischen Lehrer und Schülern, Arzt und Patienten, Ehemann und Ehefrau, Zeugen und Geschworenen, Verkäufer und Kunden.
    Das Lügen ist ein so wesentlicher Bestandteil menschlicher Existenz, dass ein besseres Verständnis dieses Phänomens für fast alle Lebensbereiche von Bedeutung ist. Vielleicht erschrecken manche über diese Behauptung, weil sie das Lügen als tadelnswert betrachten. Diese Ansicht teile ich nicht. Man macht es sich zu einfach, wollte man darauf bestehen, dass in einer Beziehung niemand jemals lügen darf. Ich würde auch nicht vorschreiben wollen, dass jede Lüge aufgedeckt werden muss. Ratgeber-Kolumnistin Ann Landers trifft ins Schwarze, wenn sie ihren Lesern mit auf den Weg gibt, dass man die Wahrheit als Knüppel benutzen kann, um jemandem auf grausame Weise Schmerzen zuzufügen.
    Auch Lügen können grausam sein, aber nicht alle. Manche Lügen haben altruistische Motive, wenn ihr Vorkommen auch geringer ist, als die Lügner behaupten. Manche gesellschaftlichen Beziehungen pflegt man nur deshalb, weil sie Mythen aufrechterhalten. Doch sollte sich kein Lügner allzu gedankenlos anmaßen zu glauben, dass ein Opfer sich wünscht, irregeführt zu werden. Und kein Lügenermittler sollte sich allzu leichtfertig das Recht herausnehmen, jede Lüge aufzudecken. Einige Lügen sind harmlos, ja sogar human. Die Entlarvung mancher Lügen könnte das Opfer oder einen Dritten demütigen. All diese Dinge müssen wir noch eingehender betrachten, wenn wir andere Probleme besprochen haben. Beginnen wollen wir mit einer Definition des Lügens, einer Beschreibung der beiden Grundformen des Lügens und der beiden Arten von Täuschungshinweisen.

Drei
    Warum
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