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Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst
Autoren: Paul Ekman
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kann sie aber auch nicht verdrängen. Sie hat es nicht unter Kontrolle. Ich glaube, das liegt in der Natur emotionaler Erfahrung.
    Die Menschen entscheiden sich nicht aktiv dafür, wann sie ein Gefühl empfinden. Stattdessen erleben sie es passiv, als stoße es ihnen einfach zu. Und das passiert eben auch im Fall negativer Emotionen wie Furcht oder Angst, ob sie wollen oder nicht. Man kann aber nicht nur schwer beeinflussen, wann eine Emotion auftritt, sondern manch einer hat auch den Eindruck, er habe kaum eine Wahl, ob die vielsagenden Anzeichen für die Emotion sich anderen offenbaren oder nicht. Ruth kann sich nicht einfach dafür entscheiden, die Symptome der Panik verschwinden zu lassen. Sie kann keinen Entspannungsknopf drücken, um ihre emotionalen Reaktionen zu stoppen. Wenn die erlebte Emotion sehr stark ist, kann es sogar unmöglich sein, die eigenen Handlungen unter Kontrolle zu haben. Eine starke Emotion erklärt unangemessene Handlungen, auch wenn sie nicht immer als Entschuldigung dafür angeführt werden darf - «Ich wollte dich nicht anschreien (den Tisch umwerfen, dich beschimpfen, dich schlagen), aber ich habe die Beherrschung verloren. Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle.» Wenn eine Emotion sich allmählich entfaltet, statt unmittelbar aufzutreten, wenn sie auf einem sehr niedrigen Niveau beginnt - etwa mit Verärgerung statt Wut sind die Veränderungen im Verhalten gering und relativ leicht zu verbergen, sofern man sich seines Gefühls bewusst ist. Bei den meisten Menschen ist dies jedoch nicht der Fall. Setzt eine Emotion allmählich ein und bleibt sie schwach, wird sie häufig eher von anderen bemerkt als von einem selbst. Sie gelangt nicht ins Bewusstsein, es sei denn, sie nimmt an Intensität zu. Sobald eine Emotion aber einmal stark ist, lässt sie sich viel schwerer unter Kontrolle bringen. Um die damit verbundenen Veränderungen im Gesicht, im Körper und in der Stimme zu verbergen, muss man ziemlich kämpfen. Selbst wenn man sie erfolgreich verheimlicht und das Gefühl nicht durchsickert, ist der Kampf selbst manchmal schon als Anhaltspunkt für eine Täuschung wahrnehmbar.
    Eine Emotion zu verheimlichen fällt nicht leicht, und dasselbe gilt für das Verfälschen einer nicht gefühlten Emotion, selbst wenn es keine andere Emotion gibt, die verheimlicht werden muss. Es gehört mehr dazu, als nur zu sagen «Ich bin wütend» oder «Ich habe Angst». Der Betrüger muss so aussehen und so klingen, als sei er wütend oder ängstlich, wenn andere seine Behauptung glauben sollen. Leicht ist es nicht, die richtigen Regungen und die speziellen Veränderungen der Stimmlage zu erzeugen, die zur Verfälschung von Emotionen erforderlich sind. Es gibt zum Beispiel bestimmte Gesichtsbewegungen, die nur sehr wenige Menschen vorsätzlich einsetzen können (sie werden im 5. Kapitel beschrieben). Sie sind jedoch entscheidend, um Verzweiflung, Angst und Wut mit Erfolg zu verfälschen.
    Das Verfälschen wird gerade in dem Augenblick noch schwerer, wo es am meisten gebraucht wird, nämlich dann, wenn eine andere Emotion verheimlicht werden soll. Vorsätzlich wütend auszusehen, ist schon nicht einfach, aber wenn jemand währenddessen eigentlich Angst empfindet, wird er hin und her gerissen. Die aus der Angst resultierenden Impulse zerren in die eine Richtung, während der Versuch, wütend zu erscheinen, in die andere Richtung geht. So werden zum Beispiel die Augenbrauen bei Angst unwillkürlich hochgezogen, um aber Wut vorzutäuschen, muss man sie herunterziehen. Häufig verraten die Anzeichen dieses inneren Kampfes zwischen der gefühlten und der falschen Emotion den Betrug.
    Aber wie steht es mit Lügen, bei denen keine Gefühle beteiligt sind, wenn etwa über Handlungen, Pläne, Gedanken, Absichten, Tatsachen oder Phantasien gelogen wird? Werden solche Lügen durch das Verhalten des Lügners verraten?

    Gefühle beim Lügen

    Nicht jede Täuschung hat mit dem Verbergen oder Vortäuschen von Emotionen zu tun. Wer Geld veruntreut, verheimlicht die Tatsache, dass er stiehlt. Der Plagiator verheimlicht die Tatsache, dass er die Arbeit eines anderen übernommen hat und sie als seine eigene präsentiert. Der eitle Mann in den «besten Jahren» verheimlicht sein wahres Alter, indem er sein graues Haar färbt und behauptet, sieben Jahre jünger zu sein. Aber selbst wenn es bei dieser Art von Lügen nicht direkt um Emotionen geht, kommen sie vielleicht dennoch ins Spiel. So könnte dem eitlen Mann seine
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