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Ich war Jack Falcone

Ich war Jack Falcone

Titel: Ich war Jack Falcone
Autoren: Joaquinn Garcia
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ich nicht mehr täglich mit ihnen arbeiten würde. An meinem letzten Tag brachten mich Sean McMullen, Jimmy ­Lopez und Rich Shaw nach Hause, drei gute Freunde und vorzügliche Case Agents in meiner Drogeneinsatzgruppe. Es war ein seltsames Gefühl, vor meinem Haus auszusteigen, ohne am folgenden Morgen einen Auftrag zu haben. In den nächsten paar Wochen stand ich sogar zur üblichen Stunde auf, zog mich an und bereitete mich im Geiste auf einen weiteren Tag beim FBI vor. Vermutlich machen das alle Pensionäre durch. Ich besuchte das Büro aus irgendwelchen Gründen so häufig, dass die Jungs mich zu necken begannen. »Hast du noch nicht gemerkt, dass du pensioniert bist?«, fragten sie mich.
    Damals, als ich anfing, schickte man neue Agenten in ein Großraumbüro. Man alberte mit den Kollegen herum, und wenn die Frau anrief, ­zogen sie einen auf: »He, Schatz, ich liebe dich auch!« Wir hatten eine Schreibzentrale, junge Leute, die für die Papierarbeit zuständig waren. Wir waren wie eine Familie – nach Feierabend gingen wir zusammen aus, aßen Pizza, was auch immer.
    Das Großraumbüro und die Schreibzentrale gibt es nicht mehr. Jetzt ist alles viel nüchterner. Man arbeitet in einer »Box« – einer kleinen Arbeitsstation mit hohen Wänden –, sodass man keinen Kontakt mit seinen Kollegen hat. Und was die Stenografen anbelangt, so wurden Agenten zu Schreibkräften gemacht! Sie sollten aber nicht tippen, sondern draußen auf der Straße arbeiten. Und heute bekommt man nur noch Voice-Mail. Niemand greift mehr zum Telefon und sagt: »Nein, er ist nicht da, soll ich ihm etwas ausrichten?« Wir arbeiten nicht mehr eng zusammen, wie es früher einmal war.
    Die Jungs kommen voller Tatendrang aus Quantico zurück, bereit für die Gangsterjagd. Stattdessen gibt man ihnen Laptops und Kameras – und Stühle in diesen verdammten Boxen –, und prompt verwandeln sie sich in kleine IBM-Angestellte. Manche neue Kollegen sind den aktiven Agenten nicht einmal bekannt!
    »He, wer ist denn der Neue dort?«
    »Weiß ich nicht!«
    »Was macht er?«
    »Tja, mich hat er grün und blau geschlagen!«
    Ich konnte bei Bedarf zu den anderen Jungs sagen: »Los, kommt alle mit, ich muss diesen Typ einlochen!« Und alle fuhren gemeinsam los. Heute läuft es nicht mehr so, weil man niemanden mehr findet. Alle Agenten hocken eingemauert in ihren kleinen Boxen! Hallo, wo seid ihr alle?
    Diese Klage höre ich heutzutage oft von FBI-Agenten. Ich ging gerne in dieses Großraumbüro. Wenn jemand deprimiert hereinkam, gingen alle zu ihm und munterten ihn auf. So sollte es wieder sein. Ist das Wunschdenken? Vielleicht ein wenig. Doch selbst wenn wir die Sache streng beruflich betrachten, müssen wir einräumen, dass die Kameradschaft verloren geht, die das FBI zu einer so großartigen Truppe gemacht hat. Herr Direktor, reißen Sie diese Boxen ab! Und wenn Sie schon dabei sind, dann führen Sie die Schreibzentrale wieder ein!
    Meine Pensionierung hatte auch einige Vorteile. Anstatt Greg DePalma durch ganz New York zu chauffieren, bringe ich jetzt meine Tochter zur Schule und hole sie dort wieder ab. Wenn das kein radikaler Wandel ist – von DePalma und den Mafiosi zum ersten Schuljahr –, was dann? Aber ich liebe sie so sehr und bin glücklich, wenn ich bei ihr sein darf.
    Vor einem Monat wurde ich von Kojoten geweckt. Ich bin in der Bronx aufgewachsen! Was zum Teufel habe ich mit Präriewölfen zu tun? Aber wir wohnen jetzt am Stadtrand, wo es Truthähne, Rehe, Rotluchse und Kojoten gibt. Ich lebe in der Hölle! Aber ich muss dieses Kreuz tragen.
    Eines Nachts klingelte ein Junge aus der Nachbarschaft um elf Uhr abends. Meine Frau drehte fast durch, und ich holte meine Pistole. Dann merkten wir, dass es nur ein Kind war, das aus Übermut an Türen klingelte.
    »Mein Gott!«, rief meine Frau. »Sie wissen, wo wir sind. Sie forschen uns aus.«
    Ein andermal geriet sie in Panik, weil jemand unseren Briefkasten abgerissen hatte. »Beruhige dich«, sagte ich, »es ist doch nichts passiert!«
    Habe ich jeden Tag Angst? Nein. Eines ist klar: Wenn ich in Angst lebe, haben sie gewonnen. Ja, ich muss einige Vorkehrungen treffen; aber das ist der Preis, den ich zahle. Sollen sie doch beschämt sein. Es sind Gangster. Alle haben sich schuldig bekannt. Wir haben sie alle geschnappt. Und jetzt sitzen sie im Knast.
    Ich besuche Manhattan nur noch gelegentlich. Es gibt dort immer noch viele Ganoven, die mich kennen und die vielleicht keine Bedenken hätten,
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