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Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Titel: Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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ausgegangen, in ein lautes Lokal, wo man das Klingeln nicht hörte. Sie dachte nicht weiter darüber nach, beschloss, sich aufs Bett zu legen und griff schließlich nach den Aufzeichnungen, die der Priester ihr gegeben hatte. Und begann zu lesen.

11
    Die schlimmsten Stunden erlebe ich, wenn ich dein Rufen höre. Mama… Mama… Mama… du schreist dir die Lunge aus dem Hals, damit ich dich hören kann. Aber ich antworte nicht. Ich bin nicht da. Ich bin nicht dort. Wie kann ich deine Qual nur unbeantwortet lassen? Essen und schlafen, während du schreist und durch verzweifeltes Weinen und Brüllen nach Hilfe rufst?
    Arianna … Arianna … Arianna … kleine Ari … … mein Liebling … Mamas Schatz … wobistduwobistduwobistduwobistdu …
    Ich denke an deinen kleinen weißen Körper, der so rein und weich ist. Sie beschmutzen dich mit ihren dreckigen Händen. Zwingen dich, etwas zu tun, das du nicht willst. Und du rufst nach mir und weinst. Gottes Strafe soll sie treffen und töten. In der Hölle sollen sie schmoren. Wenn Gott nicht bald etwas tut, dann tu ich etwas. Und ich werde Seinen Namen verfluchen, wenn Er mir nicht hilft, dich wiederzufinden.
    Lieber tot, mein Schatz. Lieber bei den Engeln. Ich ertrage es nicht länger, mir vorzustellen, wie du daliegst, an der Seite eines Menschen, der dir Böses will. Neben dem Teufel. Lieber tot. Du – und ich mit dir.
    Mein Liebling, meine Beste. Ich streiche dir über die Haare, dein Köpfchen liegt in meinem Schoß, ich sage dir, dass Mama dich lieb hat, dich holen kommt. Bald. Weine, meine Kleine, so viele Tränen wie du willst, weine. Wenn ich dich wieder in meine Arme schließen kann, küsse ich sie dir alle fort. Weine, mein Liebling, deine Mama ist dort bei dir, immer, in jedem Moment.
    Du bist bei dem weißen Hündchen, das wir zusammen im Wald gesehen haben. Du bist ihm hinterhergelaufen und mit ihm gegangen. Ihr habt eine kleine Verschnaufpause eingelegt und dabei bist du eingenickt. Jetzt schlaft ihr beide. Eng aneinandergekuschelt.

12
    »Vater, erhören Sie mich, ich habe schwer gesündigt. Ich kann nicht anders. Ich schaffe es nicht. Ich bin zu schwach.
    Von weitem habe ich ihn schon gesehen. Mir gewünscht, er wäre mein Sohn. Es war Markttag. Er ging an der Hand seiner Mutter. Ich bin ihnen mit etwas Abstand gefolgt, mehr als eine Stunde lang. Habe sie beobachtet. Die Zeit schien mir unendlich. Ich fühlte den Schweiß auf meiner Haut. Spürte, wie mein Körper sich verkrampfte, bis aufs Äußerste anspannte. Die Mutter wählte etwas aus. Ein Kleidungsstück. Sie hielt es dem Jungen an den Körper, doch der wollte nichts davon wissen, lief einige Schritte davon. Sie griff sofort nach ihm, zerrte, schimpfte. Eine ganze Zeit ging das so. Schließlich gab sie auf.
    Alle Mütter sind so. Müde, abgekämpft, erschöpft. Wieso setzen sie eigentlich Kinder in die Welt, wenn sie dann nichts tun, als jammern und stöhnen? Sie schicken sie vor die Tür und lassen sie zum Spielen herumstreunen wie Hunde. Und die ganz kleinen sogar im Wald herumstromern.
    Die Mutter hielt vor dem Gemüsestand, suchte etwas aus, wechselte ein paar Worte mit der Marktfrau, lachte. Das Kind entfernte sich von ihr, hatte den Honigstand entdeckt, mit einem Korb voll eifriger Bienen. Sie warf ihm einen Blick zu, sah ihn bei den Insekten stehen. Beruhigt wandte sie sich für einige Minuten von ihm ab. Andere Kinder und Erwachsene kamen dazu. Viele. Es entstand ein Gemenge, und er stand da, ganz alleine, so klein und noch unsicher auf den Beinen. Inmitten dieser Menge von Unbekannten. Ich musste ihm helfen. Jetzt gleich, auf der Stelle. Ich packte ihn, presste ihm eine Hand auf den Mund und eilte davon. Durch die Menschenmenge hindurch. Nahm ihn einfach mit. Er weinte. Aber nur am Anfang. Dann gab er keinen Laut mehr von sich.
    Vater, ich liebe Kinder, und ich weiß, dass Sie mich verstehen. Wirklich verstehen. Aber ich muss wissen, dass Gott mir vergibt. Vergeben Sie mir, Vater, und erlösen Sie mich von meinen Sünden.«

13
    Das Fernsehen übertrug ein Interview mit einem Mann um die sechzig. Ein Alter, in dem man, bei zu viel Gewichtsverlust, auf einen Schlag verbraucht aussah. Zuerst beginnen die Wangenmuskeln herunterzuhängen, dann die Armmuskeln und zuletzt das Gesäß. Der Mann auf dem Bildschirm hatte sich in einen beigefarbenen Anzug gezwängt, der ihn noch zierlicher wirken ließ. Ein von Schmerz verhärtetes Gesicht, Augenringe, ausgetrocknete Lippen. Die Journalistin hielt
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