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Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Titel: Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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Häusern, oder zu neuen Fragen formulieren?
    Warum wollte dieser Priester mit ihr nicht reden außer im Beichtstuhl?
    Warum hatte er nicht ein einziges Mal eine Einladung ihrer Eltern zum Mittagessen angenommen? In all diesen Jahren waren sie sich ständig begegnet, in der sonntäglichen Messe, wo sie immer ganz vorne Platz nahmen. Und doch hatte er nie den Versuch gemacht, Kontakte außerhalb des Gottesdienstes und der Sakramente zu knüpfen oder einzugehen. Die Reinheit seiner Funktion zu bewahren, das war es, was er für sich beanspruchte. Und verweigerte damit das nicht religiöse, menschliche, uneigennützige Gespräch.

9
    Im Eilschritt holte er sie ein. »Maria Dolores, lass uns etwas zusammen essen gehen.« Es war bereits dunkel. Sie würde über Nacht bleiben müssen. Ihre Wohnung war seit Monaten schon unbewohnt, viel zu kalt und unmöglich innerhalb so kurzer Zeit zu beheizen. Doch sie kannte sich im Ort aus, wusste, wo sie übernachten konnte und welches Hotel im Tal jetzt noch geöffnet hatte. Nicht einmal reservieren musste sie, schließlich gab es um die Zeit sowieso keine Touristen mehr. Sie betraten ein Restaurant, in dem es immer frische Polenta gab, und setzten sich einander gegenüber an den Tisch.
    Schließlich eröffnete der Priester das Gespräch: »Hast du von Ariannas Verschwinden gehört? Dem Mädchen aus Aosta, das Kastanien im Wald von Challand gesammelt hat?«
    Maria Dolores schüttelte den Kopf.
    »Das ist jetzt schon fünf Tage her. Normalerweise werden die Kinder sofort wieder freigelassen.«
    »Das heißt?«
    Sie blickte ihm fest in die Augen. Er versuchte ihrem Blick auszuweichen, während er sprach: »Die Kinder werden für einige Stunden entführt, dann wieder an Orten freigelassen, wo die Eltern sie finden können.«
    »Und was geschieht mit den Kindern?«
    »Was glaubst du?«
    »Werden sie misshandelt?«
    »Fast alle. Inzwischen sind es schon sieben.«
    »Und niemand erstattet Anzeige? Was sind das denn für Eltern. Wollen sie keine Gerechtigkeit?«
    »Zu welchem Preis? Die Kinder wären für immer stigmatisiert. Fotos in den Zeitungen, Fragen, Fernsehberichte. Kannst du dir vorstellen, was hier im Tal los wäre?«
    »Aber es gibt jemanden, der ungehindert noch immer brutale Verbrechen begeht. Das ist doch furchtbar, dass niemand dagegen vorgeht.«
    »Aber die Polizei weiß Bescheid. Und für die Einheimischen und die Touristen sind es eben nichts weiter als Kinder, die sich ein wenig zu weit von ihren Eltern entfernen, sich dabei verlaufen, dann aber immer wieder zurückfinden. Seit Monaten schon arbeitet die Polizei an den Fällen.«
    »Es ist trotzdem schrecklich. Die Eltern müssen den Mut und die Kraft finden, an die Öffentlichkeit zu gehen. Auf sich aufmerksam machen. Woher stammen sie?«, fragte sie und ließ ihrer Wut gegenüber dem Gesetz des Schweigens freien Lauf.
    »Von weiter unten aus dem Tal, einige leben hier«, erklärte der Priester.
    »Haben sie mit Ihnen darüber gesprochen? Haben Sie ihnen dazu geraten, ihr Schweigen zu brechen?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
    »Ab und an treffen wir uns zu einer Gesprächsrunde«, entgegnete der Priester, »Hier nimm. Sie sind von der Mutter.« Er schob ihr einen Stapel mit Tinte beschriebener Blätter hin. »Lies sie später. Du weißt ja, dass hier im Tal noch nie etwas wirklich Schlimmes passiert ist.«
    »Das ist nicht wahr«, widersprach ihm Maria Dolores.
    »Auf was spielst du an?« Fragend blickte er sie an.
    »Ein Selbstmord und ein Mord, in den letzten drei Jahren.«
    »Hier geht es um ein Kind, Maria Dolores. Nicht um einen gierigen Mann, der von einem anderen gierigen Mann getötet wurde, und auch nicht um einen alten Verrückten, der den Verstand verloren hat. Es geht um ein Kind.«
    Es schien, als wolle er diesem Umstand zusätzlichen Nachdruck verleihen. Maria Dolores war erstaunt darüber zu hören, dass der Priester offensichtlich Unterschiede zwischen seinen Schäfchen machte, doch gleichzeitig gefiel ihr diese Tatsache.
    »Ein Kind zu entführen, so etwas machen doch nur niederträchtige Menschen«, warf sie ein.
    »Oder kranke.«
    »Was die Tat weder rechtfertigt noch abschwächt«, ließ sie nicht locker, um dann zum eigentlichen Kern der Sache zu kommen: »Aber ich kann mich nicht in die Untersuchungen der Polizei in Aosta einmischen, selbst wenn ich es wollte.«
    »Das verlange ich auch nicht von dir.«
    »Was wollen Sie dann? Warum haben Sie mich kontaktiert?«
    »Ich will, dass
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