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Ich übe für den Himmel

Ich übe für den Himmel

Titel: Ich übe für den Himmel
Autoren: Patmos
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geflutscht.
    Gerade räkele ich mich mit Eddie auf Tante Antje, da klingelt in unserem Häuschen das Telefon und reißt mich aus meinen Gedanken. Jeder Anruf kann ein Auftrag für Mama und Papa bedeuten. Wir sollen immer abheben und alles genau aufschreiben, wenn sie nicht da sind. Denn wir brauchen zwar nicht so viel Geld um glücklich zu sein, aber eine Menge Dinge im Leben gibt es leider nicht für umsonst.
    Papa kommt aus dem Haus. Er sieht besorgt aus, seine Struwwelfrisur ist noch strubbeliger als sonst. Er reibt sich oft durch die Haarbüschel, wenn er sich freut, aber auch, wenn er aufgeregt oder traurig ist.
    »Mama und ich müssen sofort ins Krankenhaus. Da ist ein kleiner Patient, Tommy, dem geht es gar nicht gut. Er hat sich gerade gewünscht, die beiden Clowns sollen schnell kommen. Wir haben Oma und Opa angerufen. Sie sind schon unterwegs zu euch. Ich weiß noch nicht, wie lange wir wegbleiben.«
    Manchmal darf ich Mama und Papa ins Krankenhaus begleiten. Ich sehe mir dann im Spielzimmer ihre kleine Show für alle Patienten an und wünsche mir ganz doll, dass ich mal als Clown mit ihnen auftreten darf. Es ist mein allerallergrößter Wunsch.
    Vor ihrem Auftritt sprechen meine Eltern immer mit den Schwestern und Ärzten. Ich warte so lange im Flur. Das kann stundenlang dauern, so kommt es mir vor, während ich auf einer harten, altmodischen Holzbank sitze. Nach dem Gespräch im Schwesternzimmer gehen Mamamoma und Papapipo ohne mich zu allen Kindern in ihren Zimmern und laden sie zu ihrer Show im Spielzimmer ein. Die Patienten, die nicht kommen oder gehen können, besuchen sie später extra, falls die Kinder das wünschen. Und ich muss warten, immer noch auf der harten Bank oder im Spielzimmer. Manchmal gehen kranke Kinder über den Flur und wenn sie und ich gut drauf sind, unterhalten wir uns.
    Mama und Papa dürfen mir nicht sagen, woran die Patienten erkrankt sind. Ab und zu erzählen es mir die Kinder aber selber, nach der Show, wenn wir noch für eine Weile im Spielzimmer bleiben und Mama und Papa in den Zimmern unterwegs sind.
    »Kann ich mitkommen?«, frage ich. Papa sieht mich erschrocken an.
    »Aber Isha, wie kommst du darauf? Die Ärztin sagte mir, dass Tommy vielleicht nicht mehr lange leben wird. Aber vor allem wünscht sich Tommy, dass wir bei ihm sind. Es ist besser, du bleibst bei Eddie.
    »Aber Tommy kennt mich doch! Er will bestimmt, dass ich auch mitkomme.«
    Ich habe mich mit Tommy schon ein paar Mal unterhalten. Ich bin zu seinem Zimmer gegangen und habe in der geöffneten Tür gestanden. Er hat gewunken, ich solle reinkommen. Das wissen Mama und Papa nicht, weil sie beschäftigt waren. Er ist schon länger im Krankenhaus, weil er eine schwere Kopfoperation hatte und danach zwei Chemotherapien bekam. Tommy ist krebskrank. In seinem Kopf ist ein großer Gehirntumor gewachsen.
    »Dass meine Haare weg sind, ist nicht so schlimm«, sagte er mir irgendwann einmal, als wir im Spielzimmer saßen. »Vielleicht wachsen sie wieder nach. Aber das ist nicht mein größter Wunsch. Mein größter Wunsch ist es, auf einem weißen Pferd mit goldenen Flügeln zu reiten und wie ein Vogel zu fliegen. Ich möchte ganz leicht sein!«
    Seitdem denke ich darüber nach, wie ich Tommy helfen kann, wie er auf so einem Pferd sitzen kann und sich dabei leicht wie ein Vogel fühlt. Mir ist noch nichts Gescheites eingefallen. Aber ich bin mir sicher, dass ich bald eine Idee habe.
    Ich möchte ihn unbedingt sehen, mit ihm sprechen. Warum muss ich hier bleiben? Vielleicht braucht Tommy mich?
    Aber meine Eltern bleiben eisern.
    »Nein Isha, nur Mama und ich fahren hin.«
    Ich schlucke, denn es ist für meine Eltern bestimmt nicht einfach, Tommy jetzt zu besuchen. Ich nehme einen neuen Anlauf.
    »Bitte, nehmt mich mit. Tommy möchte das ganz, ganz bestimmt.«
    »Nein Isha. Und noch einmal nein.«
    »Was nehmt ihr denn mit?«, frage ich kleinlaut. Wenigstens das will ich wissen. Aber sie antworten nicht. Sie sind mit ihren Gedanken ganz woanders.
    In ihren Schatztruhen sind so viele schöne, verrückte und ausgefallene Sachen, die den Kindern gefallen. Eddie und mir aber auch. Zum Beispiel Luftballons und Luftschlangen, Tüten mit buntem Konfetti, Umschläge mit Überraschungsbildern, kleine Figuren aus Plastik und Stoff, Glitzersticker, Muscheln und ausgefallene Glückssteine, Ringe und Armreifen, kleine Autos, Kasperle-, Finger- und Handpuppen, Glasmurmeln in allen Regenbogenfarben, Münzen. Klamotten zum Verkleiden,
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