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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte
Autoren: Giorgio Faletti
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letzten beiden Worten wie eine Drohung auszubreiten schien. Es lief etwa zehn Sekunden und brach dann ebenso unvermittelt ab, wie es begonnen hatte.
    In der zähen Stille danach war das Klick , mit dem die Verbindung unterbrochen wurde, deutlich zu hören. Jean-Loup riss den Kopf hoch und sah die anderen an. Trotz des frischen Rauschens der 24

    Klimaanlage und der Eiseskälte, die sich in ihren Gedanken breit machte, war es, als hätten sich alle gleichzeitig umgedreht und in den blendenden Schein des brennenden Sodom und Gomorrha geschaut.
    Irgendwie schafften sie es, die Sendung über die Bühne zu bringen, bis endlich die Schlussmelodie gespielt werden konnte. Es gab keine weiteren Anrufe aus dem Publikum. Oder genaugenommen wurde die Zentrale nach dem seltsamen Anruf mit Telefonaten überschüttet, aber keines davon wurde gesendet.
    Jean-Loup setzte die Kopfhörer ab und legte sie neben das Mikrofon auf den Tisch. Er stellte fest, dass diesen Abend sein Haar trotz der Klimaanlage verschwitzt war wie nach einem feuchten Lauftraining.
    Weder du noch ich werden dieselben sein wie zuvor.
    Die ganze Zeit hatte er nur Musik gespielt, hatte sich lange über die merkwürdige Ähnlichkeit zwischen Tom Waits und Paolo Conte ausgebreitet, die beide als Interpreten in kein Schema zu pressen und doch als Autoren ungeheuer einflussreich waren. Er hatte zwei ihrer Liedtexte übersetzt und deren Bedeutung unterstrichen. Zum Glück hatten sie für ganz hoffnungslose Abende, wie es dieser zweifellos war, immer verschiedene Auswege parat. Sie hatten einige Telefonnummern in Reserve, auf die sie zurückgreifen konnten, wenn die Sendung nicht richtig in Schwung kam. Sie telefonierten mit Künstlern und Freunden, baten sie anzurufen und überbrückten dank ihrer Hilfe eine Viertelstunde mit der Poesie und dem Humor von Francis Cabrel.
    Die Tür ging auf, und Laurents Kopf lugte zwischen den Pfosten hindurch.
    »Alles in Ordnung, Jean-Loup?«
    Jean-Loup sah durch ihn hindurch.
    »Ja, alles in Ordnung.«
    Er stand auf, und sie verließen zusammen das Studio. Ihre Blicke kreuzten sich mit den verblüfften und irgendwie ausweichenden Blicken von Barbara und Jacques, dem Tontechniker. Die junge Frau trug eine blaue Bluse, und Jean-Loup sah große Schweißflecken unter ihren Achseln.
    »Es gab Unmengen von Anrufen. Zwei haben gefragt, ob das eine neue Krimiserie ist und wann die nächste Folge ausgestrahlt wird.
    Dann haben sich mindestens ein Dutzend Leute darüber aufgeregt, dass wir so faule Tricks nötig haben, um unsere Einschaltquoten in die Höhe zu treiben. Ein Anruf kam vom Boss, und der war ziemlich 25

    sauer. Er sitzt schon im Präsidentenzimmer und wartet auf dich. Er ist auch darauf reingefallen und hat gefragt, ob wir total verrückt geworden seien. Scheint so, als habe ihn sofort einer der Sponsoren angerufen, und ich glaube nicht, dass der ihm gratulieren wollte.«
    Jean-Loup stellte sich vor, dass das Zimmer, falls überhaupt möglich, noch dicker vom Zigarettenrauch eingenebelt sein und das Gespräch weit weniger enthusiastisch verlaufen würde als vor der Sendung.
    »Wieso hat die Zentrale diesen Anruf nicht herausgefiltert?«
    »Mich soll der Schlag treffen, wenn ich verstehe, was da abgelaufen ist. Raquel sagt, der Anruf sei nicht über sie hereingekommen.
    Er ist auf irgendeinem unergründlichen Weg direkt in die Studioleitung geraten. Es muss doch irgendein Kontakt da gewesen sein, in welcher Form auch immer. Wenn du mich fragst, dann hat unsere neue elektronische Telefonzentrale die Jagd aufs Bewusstsein begonnen. Wirst sehen, früher oder später kämpfen wir alle gegen Maschinen, wie in Terminator .«
    Sie traten aus dem Studio, einer neben dem anderen, und gingen, ohne sich ins Gesicht schauen zu können, in Richtung Bikjalos Büro.
    Zwischen ihnen standen die beiden Wörter.
    Ich töte …
    Sie liefen am Computerraum vorbei, sprachlos. Der bedrückende Ton jener Stimme schien immer noch in der Luft zu hängen.
    »Und diese Musik am Schluss? Kam mir irgendwie bekannt vor
    …«
    »Mir auch. Wenn ich mich nicht irre, ist es Filmmusik. Es könnte Ein Mann und eine Frau von Claude Lelouch sein. Irgendwas so um 1966.«
    »Und was soll das bedeuten?«
    »Das fragst du mich?«
    Jean-Loup schien fassungslos. Sie hatten es hier mit etwas vollkommen Neuem zu tun, das in ihrer bisherigen Erfahrung mit dem Radiogeschäft ohne Beispiel war. Ganz besonders in emotionaler Hinsicht.
    »Und du, was meinst du?«
    »Alles
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