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Ich sehe dein Geheimnis

Ich sehe dein Geheimnis

Titel: Ich sehe dein Geheimnis
Autoren: Kim Harrington
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prophezeit, ein Rotschopf werde ihm Schwierigkeiten machen, und das hatte ich getan. Sie hatte mir gesagt, ich sei in Lebensgefahr, und das war ich.
    Ich atmete unregelmäßig und meine Lunge schmerzte. Ich blinzelte, als ein Tropfen Blut von meiner Stirn tropfte. Das war’s. Meine letzte Chance, ihn zur Vernunft zu bringen, war gekommen. Meine letzte Chance, um um mein Leben zu flehen.
    »Du willst mich nicht töten«.
    »Natürlich will ich das nicht, Clare. Aber ich muss es tun.«
    »Das bist nicht du. Du bist kein Mörder«, flehte ich.
    »Vor ein paar Wochen hätte ich das auch gesagt. Aber du solltest am besten wissen, dass Menschen immer für Überraschungen gut sind. Sie sind zu Dingen fähig, die man nie für möglich gehalten hätte. Man denkt, man kenne jemanden, und dann …«
    Er zuckte die Schultern und spannte den Abzug.
    Dann wurde mir schwarz vor Augen. Etwas Schweres war auf mir gelandet. Ich lag auf dem Bauch und mein Gesicht wurde gegen den Boden gedrückt. Ein Schuss fiel. Holz zersplitterte. Stephen schrie. Ich hörte Kampfgeräusche, konnte aber nichts sehen. Doch ich musste unbedingt wissen, was vor sich ging. Ich stützte mich auf und schob dabei die Last von meinem Rücken hinunter. Mit einem dumpfen Geräusch landete der Gegenstand auf dem Boden.
    »Perry?«
    Er blutete am Kopf und seine Pupillen waren gespenstisch erweitert. Er hatte eindeutig eine Gehirnerschütterung, aber es war ihm trotzdem gelungen, mich zu retten.
    Dann sah ich, dass die Haustür offen stand. Kommissar Toscano und ein weiterer Polizist drückten Stephen auf den Boden und legten ihm Handschellen an. Er schrie und wand sich wie ein Tier.
    Perry beugte sich über Justins reglosen Körper und fühlte den Puls.
    Dann sah er mich an.

Sechsundzwanzig
    »Ich glaube wirklich, dass du jetzt nach Hause gehen solltest«, sagte Mom. »Du musst dich ausruhen.«
    Ich berührte den Verband um meine Stirn. »Ich bleibe hier.«
    »Ich auch«, sagte Perry. Er saß neben mir und trug ebenfalls einen Verband um den Kopf. Wir sahen aus wie zwei Idioten, die einen Wettbewerb im Dickschädel-Aneinanderstoßen ausgetragen hatten.
    Wir waren schon seit Stunden im Krankenhaus. Ich hatte nur Kopfschmerztabletten und ein paar Mullbinden gebraucht, während Perry mit drei Stichen hatte genäht werden müssen. Er hatte eine leichte Gehirnerschütterung, aber es würde ihm bald wieder gut gehen.
    Justin … über ihn wussten wir noch nichts.
    Mit ein paar Flaschen Wasser unter dem Arm kam Gabriel ins Wartezimmer zurück. Wir nahmen sie ihm dankbar ab und tranken gierig.
    »Gabriel«, sagte meine Mutter, »woher wusste dein Vater, dass meine Kinder in Schwierigkeiten waren?«
    Gabriel trank einen Schluck. »Eine Verrückte hat bei der Polizei angerufen und gebrüllt, wir müssten sofort zu Ihrem Haus fahren.«
    »Hm«, sagte Mom. Sie band ihre fransigen Haare zu einem langen Pferdeschwanz. »Milly muss etwas mitbekommen haben.«
    Gabriel zuckte die Schultern. »Wer auch immer sie war – sie hatte einen starken russischen Akzent. Mehr weiß ich nicht.«
    Madame Maslov. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter. Sie musste die Situation vorausgesehen und gerade noch rechtzeitig die Polizei angerufen haben. Ich hatte sie verurteilt, wie so viele Leute auch mich verurteilten. Und ich hatte falsch gelegen. Sie war genauso wenig eine Betrügerin wie ich.
    Ich ging um die Ecke und warf die leere Flasche in die Recyclingtonne. Gabriel folgte mir. Hier, außer Sichtweite der anderen, umarmte er mich und hielt mich ganz fest. Sein Kinn ruhte auf meinem Kopf. Ich ließ mich in die Umarmung sinken. All meine Gefühle und meine Erschöpfung ruhten auf seinen Schultern.
    »Es tut mir leid«, sagte er sanft. »Du hattest recht mit den Clayworths.«
    »Nur zur Hälfte«, antwortete ich traurig. Hätte ich alles verstanden, wäre Justin nichts passiert.
    »Die Hälfte ist mehr, als ich dir zugetraut habe.«
    »Aber am Ende hast du mir doch vertraut. Genug, um deinen Vater zu bitten, Cecile zu verhören.«
    »Ich möchte mich auch dafür entschuldigen, dass ich deinen Bruder verdächtigt habe.«
    Das konnte ich ihm schnell verzeihen – auch ich hatte in letzter Zeit viele vorschnelle und falsche Annahmen gemacht.
    »Ich habe eine Frage«. Gabriel holte tief Luft. »Können wir von vorne anfangen? Kannst du mir eine zweite Chance geben?«
    Bevor ich über die Frage auch nur nachdenken konnte, sah ich, wie Mr Spellman eilig den Flur entlanglief. Ich rannte auf ihn
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