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Ich schenk mir taeglich rote Rosen

Ich schenk mir taeglich rote Rosen

Titel: Ich schenk mir taeglich rote Rosen
Autoren: Erma Bombeck
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viel über Schuldgefühle, daß ich davon ein bißchen an andere delegieren konnte. Schließlich muß man seinen Kindern ja mit gutem Beispiel vorangehen.
    Da ich von jeher kläglich versage, wenn ich längere Ansprachen halten oder auch nur mit erhobener Stimme sprechen soll, hielt ich mich an die stumme Methode, um Schuldgefühle bei anderen hervorzurufen. Diese Spielart wird stark unterschätzt, sie ist sehr wirkungsvoll. Ich beginne mit der altehrwürden, unwiderstehlichen klassischen Variante: dem Seufzer.
    Wann immer eines der Kinder sein Glas zu voll gießt, sitze ich stumm da und schaue drein, als sei mir eben mein Lieblingspapagei gestorben. Dann atme ich ganz langsam tief ein (bei so was darf man nicht hudeln!), so tief, daß der Atem in meiner Kehle steckt, dann lasse ich ihn langsam wieder heraus. Macht man das langsam und gefühlvoll, wird auch dem
    Begriffsstutzigen klar, daß er sich gewaltig zu schämen hat.
    Eine andere Lieblingsnummer von mir ist die Pantomime mit knappen Dialog. Sie ist etwas dramatischer, tut aber auch ihre Wirkung. Wenn mir einer meiner Söhne mitteilt, daß er justament am Muttertag mit einer befreundeten Familie picknicken fährt, richte ich mich sehr gerade auf (das ist wichtig, denn es beweist Mut) und lächle ihm schwach, aber tapfer zu. Dann hole ich ohne weitere Kommentare ein Stück schwarzen Stoff und drapiere damit seinen leerbleibenden Stuhl am Eßtisch. (Zu diesem Zeitpunkt sollte ihm bereits so mies sein, daß er schon die Absage formuliert.) Jetzt ist alles bereit für den großen Knüller. Ich lächle schmerzlich und entringe mir mit versagender Stimme: »Also dann amüsier dich gut, Junge.«
    Mein größter Hit aber war die Do-it-yourself-Nummer. Wenn ich meinen Mann oder eines der Kinder bitte, den Abfalleimer bis zur Gehsteigkante mitzunehmen und sie nicht sofort reagieren, patsche ich in Pantoffeln selbst hinaus (vorzugsweise wenn Schnee liegt) in einem Mantel, der nicht paßt, ohne Mütze und Handschuhe und zerre den Eimer zentimeterweise klirrend die Einfahrt hinunter, eine Hand fest in die Seite gestemmt.
    Bei dieser Operation kommt es darauf an, wenig zu sagen, eine Leidensmiene zu zeigen, gewaltig zu zerren und gelegentlich einer Nachbarin zuzurufen: »Haben Sie ein Glück! Ihre Familie hat Sie lieb.«
    Eines Nachmittags verkündete ich Mann und Sohn, daß die Fernsehantenne mal wieder davongeflogen sei. Keiner rührte sich. Ich stöberte lautstark in der Garage nach einer Leiter, schleppte sie hinüber ans Haus und erstieg langsam das Dach.
    Ich mußte fast eine dreiviertel Stunde droben warten, ehe mir jemand folgte. Das bestätigte meinen Verdacht. Ruth hatte also doch recht. Es wurde höchste Zeit, daß ich das Buch SCHULD
    UND SCHIMPFE las. Es war zwar zwei Jahre alt, meiner Situation aber immer noch zwanzig Jahre voraus. Der Autor, ein gewisser Jim Preach, ermahnte alle Erwachsenen, ihre Traditionswerte über Bord zu werfen. Die zwischenmenschlichen Beziehungen seien im Umbruch. Die Zeiten, in denen die Familie eine verschworene Gemeinschaft war, seien zu Ende.
    Nie habe dabei das Individuum Spielraum zur Entfaltung gehabt. Niemand brauche ein schlechtes Gewissen zu haben, nur weil das endlich vorbei sei.
    Schon wurde mir besser. Allein die Gewißheit, nicht mehr verantwortlich zu sein, wenn mein Sohn schmutzige Unterhosen trug – im Fall, daß ihm ein Unfall zustieß –, ließ mich aufatmen.
    Außerdem schrieb Jim, eine Menge Schuldgefühle entsprängen der Tatsache, daß man für sich und andere die Ziele zu hoch stecke. Man mag ja manchmal anderer Meinung sein, meinte der Autor, doch man kann sich trotzdem um gegenseitiges Verstehen bemühen.
    »Sind Sie uneins mit Ihren Kindern, zwingen Sie sie nicht, sich ihres Tuns zu schämen, und schämen Sie sich selbst nicht, anderer Meinung zu sein. Halten Sie gewisse Kommunikationswege offen, und bewahren Sie Kontakt.«
    Leichter gesagt als getan. Kinder und Eltern lebten in getrennten Welten. Ich konnte mich weder an die neue Moral noch an den sogenannten Zukunftsschock gewöhnen. Wie sollte eine Frau, die einst bitter bereut hatte, durch das Tragen von Lackschuhen Begierden im Herzen eines Knaben geweckt zu haben, in einem Haus leben können, in dem ihre Kinder die Sendung »Die fliegende Nonne« im Fernsehen sahen und glaubten, damit ihrer Osterpflicht genügt zu haben.
    Was wir Eltern anfangs für eine Kommunikationslücke gehalten hatten, war zum kulturellen Abgrund geworden, der täglich breiter
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