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Ich mag dich wie du bist

Ich mag dich wie du bist

Titel: Ich mag dich wie du bist
Autoren: Francesco Gungui
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Wagen durch das Tor auf den Parkplatz fährt. Durch die Gipfel der Strandkiefern sieht man den orangefarbenen Himmel. Mein Vater steigt aus und redet kurz mit einem alten Mann, der dort auf einer Bank sitzt. Dann geht die rot-weiße Schranke zu den Stellplätzen für die Wohnwagen ganz langsam hoch.
    Schade, dass Oma und Opa dieses Jahr nicht mitgefahren sind. Wenn alles so gelaufen wäre, wie ich es mir erhofft hatte, wenn ich also nicht sitzen geblieben und Opa nicht krank geworden wäre, dann wäre er jetzt an meiner Stelle hier auf dem Campingplatz, zur Freude meines Bruders, der ihn abgöttisch liebt. Jedes Jahr sitzen sie nach dem Abendessen stundenlang auf dem Platz vor dem Wohnwagen und spielen Karten.
    »Ich hab Hunger«, sagt Fede.
    »Ali, geh doch mit deinem Bruder in die Bar und sieh mal, ob sie euch was zu essen machen.«
    »Was ist mit euch?«
    »Ich muss jetzt erst mal die Betten herrichten, alles andere machen wir dann morgen in Ruhe.«
    »Alles andere« sind die üblichen großen Arbeiten zu Urlaubsbeginn: den Wohnwagen putzen, Tisch und Stühle auf den Vorplatz stellen, die Kiefernnadeln wegfegen und tausend andere kleine Dinge, die erledigt werden müssen, damit es dort auf unserem Stellplatz möglichst genauso aussieht wie in unserer Wohnung in Mailand.
    »Soll ich euch was mitbringen?«
    Ich bekomme keine Antwort, also ziehe ich mit Fede los.
    In der Bar bestellen wir zwei Schinken-Käse-Toasts und zwei Cola. Der Junge, der dort bedient, begrüßt uns, als ob er uns kennen würde, aber ich erinnere mich nicht an ihn. Fede dagegen klatscht ihn mit der Hand ab.
    »Du kennst den?«, frage ich, sobald der Kellner wieder weg ist.
    »Du kennst ihn auch, das ist doch Giovanni, erinnerst du dich nicht mehr an ihn? Er hat schon letztes Jahr hier gearbeitet.«
    Ich krame in meinem Gedächtnis, um irgendeine mit diesem Typen verbundene Erinnerung hervorzuholen, aber da ist nur gähnende Leere. Keine Giovannis in meinen Sommern. Keine Giovannis in der Bar auf meinem Campingplatz. Doch das beunruhigt mich eigentlich nicht. Das letzte Jahr war nicht gerade das beste meines Lebens, kann schon sein, dass einige unwichtigere Dateien verloren gegangen sind bei dem Versuch, meine Vergangenheit ein wenig auszumisten.

Sieben
    Nach dem ersten Tag, der dem Großreinemachen und den »Großen Arbeiten« gewidmet ist, beginnen die eigentlichen Ferien.
    Der Animateur ist mir noch nicht über den Weg gelaufen, aber es kann ja sein, dass er erst später anreist. Von denen, die ich letztes Jahr kennengelernt habe und mit denen ich E-Mail, Handynummer und Heimatadresse ausgetauscht habe – man weiß ja nie –, hat sich fast keiner noch mal gemeldet, daher weiß ich nicht, ob sie dieses Jahr auch wieder da sind.
    Die Einzige, die ich wirklich gern wiedergesehen hätte, kommt bestimmt nicht, das weiß ich leider genau. Sie ist mit ihren Freundinnen auf Sardinien.
    Ein Urlaubstag läuft bei uns in etwa nach folgendem Schema ab:
1)  
Weckerklingeln spätestens um halb neun – aber mein Vater ist schon seit sieben Uhr auf den Beinen.
2)  
Allgemeiner Aufbruch mit dem Wagen, denn »wir gehen nicht an den Strand des Campingplatzes, wir suchen uns unser eigenes schönes Plätzchen am Meer.«
3)  
Wir schlagen unsere Zelte an einem einsamen Strand auf, der nächste Sonnenschirm muss mindestens fünfzig Meter entfernt sein.
4)  
Mittagessen auf jeden Fall am Strand mit Brötchen, die meine Mutter am Morgen belegt hat. Eine Bar – falls es uns tatsächlich an einen Strand verschlägt, wo es eine gibt – wird als unverschämt teurer Ort des Lasters und der Verschwendung angesehen.
5)  
Der Nachmittag: ein Nickerchen unter dem Sonnenschirm und danach »entspannende« Freizeitbeschäftigungen: Sudoku, die »Rätselwoche«, Zeitung lesen und in Klatschzeitschriften blättern.
6)  
Um halb sechs wird alles abgebaut, was sich inzwischen zu unserem Zweitlager entwickelt hat, und es geht ab nach Hause, damit man nicht an den Duschen Schlange stehen muss.
    Am ersten Tag schaffe ich es wie durch ein Wunder, sämtlichen Familienstreitigkeiten aus dem Weg zu gehen. Ich lasse mich auf keine ihrer Provokationen ein und beuge mich einfach tief über das Buch, das ich gerade lese: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins von Milan Kundera. Das hat mir Luca mitgegeben und dazu gemeint: »Wenn du merkst, dass du doch was Besseres zu tun hast, lass es liegen, lies nur ein paarmal den Titel, das ist sowieso das Beste an dem ganzen
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