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Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Titel: Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut
Autoren: Stefan Schwarz
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wär’s der Hau-den-Lukas auf dem Oktoberfest. Ich zog wieder an, die Brünette grätschte mit orientalischem Augenaufschlag artig mit. Etwas berückt von der hampelmanngleichen Synchronizität, zog ich schneller, was zu meiner Überraschung nur bewirkte, dass mein schlafäugiges Gegenüber mit einem, hier in dieser Kürze nicht annähernd wiederzugebenden Atemlaut im Tempo zulegte. In den folgenden zwei Minuten ruderte ich, in eine Menge Testosteron getunkt, die ausgereicht hätte, um Deutschlands Reproduktionsrate weit vor Uganda zu platzieren. Dann, bei einer besonders beachtlichen Grätsche, passierte es. Meine Bandscheibe schnipste heraus wie ein Roulettechip. Fremde schoben mich auf meinem Fahrrad heim. Und am Nachmittag erwarteten wir acht Vierjährige zu den Chaostagen in unserer Wohnung.
    Schon für einen gesunden Erwachsenen ist ein Kleinkindergeburtstag ein hochgradig angstbesetztesEreignis, für einen zum Krüppel trainierten Vater aber eigentlich ein Grund zur Republikflucht, was ja aber schon länger nicht mehr im Angebot ist.
    Da meine Frau den Küchendienst für sich reklamiert hatte, humpelte ich mit blockierter Hüfte in die Diele, um die Spielmaßnahmen durchzuführen. Im Nachhinein ist einzuschätzen, dass die Idee mit dem Topfschlagen nicht so gut war. Denn als die im fünften Lebensjahr willkommen geheißene Jubilarin Trollprinzess beim Topfschlagen das einzige Plastikperlenglitzerpuscheldiadem aus dem Preisesack gewonnen hatte, stellte sich heraus, dass die sonst noch umzutopfenden Rolltröten, Buntstifte und Bonbons a) «total blöd» waren und ich sie b) «behalten» könne. Über diesen Erörterungen entging mir, dass zwei der kleinen Gäste einen dritten bereits wieder mit dem Tuch verdunkelt und zur Desorientierung so lange im Kreis gedreht hatten, bis er seine wenigstens zehn Mini-Windbeutel wieder übergab.
    Die nächste Probandin war dementsprechend gewarnt, und als ihr das Tuch zu fest aufs Auge gebunden schien, schlug sie Hannes Dinkelkeks mit dem Holzlöffel derart aufs Ohr, dass sich die Welt um ihn herum in ein mehrstündiges Piepsen hüllte. Damit erübrigte sich auch seine Teilnahme am Stuhltanz nach Musik, aus dem sich nacheinander allerdings auch Heulsuse, Plärinette, Schluchzine und Anna-Flenna verabschieden mussten. Der Sieger im Stuhltanz hingegen hielt bei näherem Hinsehen schließlich ein Haarbüschel in der Hand, aus dem man gut und gern einen Rasierpinsel hätte basteln können und dessen Herkunft nicht mehr aufgeklärt werden konnte, weil schon die ersten Eltern wieder klingelten. «Na, war’s schön?», erkundigte man sich und «Jaaaaaa!» schrien alle begeistert. Ich schloss die Tür und kroch ins Bad zur Rheumasalbe.

Dir werd ich helfen, Freundchen
    Wenn ich was sehe, denk ich mir oft nichts dabei. Wo andere mit dem Finger auf der Kurzwahltaste zum Polizeirevier die Vorgänge in ihrem Argwohnviertel beäugen, gehe ich immer davon aus, dass alles schon seine rechte Bewandtnis hat, vielleicht ausgenommen den seltsamen Begriff der Bewandtnis selbst. So dachte ich mir nichts, als das Carsharing-Auto von Gevatter Dinkelkeks neben mir hielt und derselbe mir zurief, er fahre zum Ökoladen und könne uns was mitbringen. Da ich mir die Taschen schon mit Industriegemüse vollgehauen hatte, lehnte ich dankend ab.
    Ich dachte mir auch nichts, als Gevatter Dinkelkeks auf dem Spielplatz vorbeischaute und meiner Tochter knuddelnderweise anbot, sie mal wieder mit Klein Hannes zusammen übers Wochenende zu nehmen, damit ihre Eltern von der Gnade des Durch- und Ausschlafens kosten könnten. Ging bloß leider nicht, weil sich die Schwiegereltern zur Quartalskontrolle angesagt hatten. Und selbst als er meiner Frau im Hof an die Wäsche gehen wollte, freilich nur, um sie aufzuhängen, fand ich nichts dabei. Nur meine Frau, die seit Jahren völlig mankellwütig jeden neuen Kriminalroman auf Profile und Indizien durchstöbert, runzelte die Stirn wie ein chinesischer Faltenhund und sprach, als Gevatter Dinkelkeks sich nach einem weiteren verdrucksten Angebot, im Urlaub unsere Katze zu gießen oder so ähnlich, entfernt hatte: «Der will doch irgendwas!» «Was soll er schon groß wollen», bemerkte ich nix,«die haben doch genug mit ihrem neuen Haus zu tun, wenn sie in zwei Wochen umziehen wollen!»
    «Umziehen! Dem werd ich helfen!» «Allerdings, und zwar für lau und ’ne Flasche Bier!», ergänzte meine Frau. Tatsächlich hatte Gevatter Dinkelkeks im Verlauf des Hausbaus
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