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Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Titel: Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut
Autoren: Stefan Schwarz
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meine Tochter an.«Nee», brummte die Trollprinzessin in sich hinein, «das eine Pferd lahmt. Ich mach jetzt erst mal ’ne Gewebeentnahme in der Beugesehne. Wo issen die Konditorstanze, Papa?»

Bart apart
    «Mein Bart fängt an, mich zu langweilen», sagte ich zu meiner Frau im Badezimmer, die formschön in ein Badetuch gewickelt ihren Haaransatz entgraute. «Dann rasier ihn ab», sagte meine Frau, deren Anteilnahme mit dem Scheitelpinseln offenbar vollständig ausgelastet war. «Aber ich kann ihn nicht abrasieren», erläuterte ich wichtig, «es ist ein Funktionsbart. Er soll mich geheimnisvoll aussehen lassen.» «Na ja, vielleicht nicht gleich geheimnisvoll», erwiderte die Sanduhrgleiche. «Schaut mein Bart nicht drein, als verberge sich ein Geheimnis dahinter?» Meine Frau drehte sich mit einem zum Anbeten betonten Hüftschwung zu mir ein, funkelte mich kurz fragend an, ob ich schon der Mann sei, den man mit der Wahrheit über sein Aussehen konfrontieren könne, und sprach: «Dein Bart schaut so geheimnisvoll aus wie der Bart eines Mannes, der eine T T-Modelleisenbahn hat und seinen Freunden vom T T-Modelleisenbahner -Verein verschweigt, dass er noch eine H O-Anlage auf dem Dachboden stehen hat.» «Ö!», sagte ich.
    «Dein Bart», wickelte mich die jetzt haaransatzweise enorm Verjüngte versöhnlich in ihr Badetuch, «verbirgt weniger ein Geheimnis, als er vielmehr eins ausposaunt.» «Ä?», fragte ich. «Dein Bart, mein Schatz, kratzt», offenbarte mir mein bloßes Weib, «nicht immer, und auch immer seltener, aber vor allem hier.» Sie zeigte mir eine rotgeschmirgelte Stelle, die sich von der Halsbeuge bis zum Dekolleté hinzog. «Das ist wie ein Schild umden Hals, auf dem steht: ‹Ich hatte Sex mit einem Bartträger!›»
    Ich sah mir die Stelle genauer an und entdeckte interessiert: «Genau! Man könnte beinah meine Umrisse nachzeichnen!» Ich schlug ihr vor, meine Gesichtsbehaarung auf ein Menjou-Bärtchen herunterzustutzen, aber die Frau meinte, ein Mann wie ich, der den Löffel beim Suppeessen immer noch in der ganzen Faust hält, sollte mit physiognomischen Hinweisen auf gehobene Lebensart doppelt vorsichtig sein.
    Auch ein dekolletéschonender, wuscheliger Backenbart stieß auf Ablehnung, es sei denn, ich würde mir gleichzeitig die Vorderzähne vergrößern lassen, um das Hamsterimage abzurunden. Ebenso verweigert wurde mir ein hiphopper Kinnbart, solange ich mit Schlagertrompeten wie Marianne Rosenberg und Mireille Matthieu auf dem iPod hüftschlackernd meine Runden durch den Auenwald drehe. Ein Schnauzer fiel ebenso durch, weil meine Frau nicht neben einem Streifenpolizisten erwachen wollte.
    «Da bleibt nicht mehr viel übrig», nörgelte ich und setzte den Rasierer drohend an meine Oberlippe, um mir ein zwei Finger breites Oberlippenbärtchen anzufräsen. «Das würde dir stehen, aber es hat einen schlechten Ruf», sagte meine Frau zu meiner offenkundigen Überraschung. «Ich werde versuchen, durch strahlenden Weltruhm den Ruf des Bärtchens zu rehabilitieren», schlug ich vor. «Du meinst, die Menschen werden eines Tages sagen, der Führer hätte ein typisches Stefan-Schwarz-Bärtchen getragen?» «Ich würde es mir zutrauen», sagte ich und setzte den Rasierer an.
    Doch da stoppte meine Frau die Scherhand sanft und sagte mit all ihrer Lieblichkeit: «Kratz dich lieber weiter bei mir ein!»

Schüchtern betrachtet
    Bei uns ist niemand schüchtern. Wahrscheinlich sind meine schüchternen Vorfahren mal alle von den Schweden im Dreißigjährigen Krieg niedergebrannt worden, als sie sich trotz mehrmaliger Ermahnung vor Schüchternheit nicht aus der Hütte trauten. Der andere Teil meiner Sippe hingegen, allesamt nassforsche Ranschmeißer vor dem Herrn, war wahrscheinlich den säbelschwingenden Schweden schon ewig entgegengelaufen, um ihnen völlig ungefragt ein Ohr abzukauen oder ihnen so lange was vom Pferd zu erzählen, bis die Schweden völlig entnervt weiterritten und dabei vergaßen, sie pflichtschuldigst allezumachen. So konnten sich die Distanzgeminderten unter meinen Vorfahren prächtig fortpflanzen. Noch heute hat man bei großen Familienjubiläen den Eindruck, es tage der mitteleuropäische Marktschreierverband. Da fallen Pranken ineinander, werden zum Gruße derbe Schmähungen geröhrt und Neffen und Nichten in die Wange gekniffen, in die Rippen geknufft und geknuddelt, bis sie grün und blau sind. Jedenfalls war das so, bis ich meine Frau kennenlernte.
    Dass meine Frau ein bisschen
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