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Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Titel: Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut
Autoren: Stefan Schwarz
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Liebste mit dem Hinweis beruhigen, ich hätte mir den Klarnamen der Kollegin auf irgendeinen Zettel notiert, der vermutlich nun als Lesezeichen in irgendeinemBuch stecke. Zwei Tage später waren wir wieder ein Liebespaar und meine Bibliothek abgestaubt und alphabetisch geordnet.

Wie eine Feuersbrunst
    Als ich nach langer, langer Zeit beim Abendbrot wieder einmal meinen Blick schweifen ließ, fiel mir ein junger Schlaks am Tisch ins Auge, der mit ungewöhnlich langen Armen und knochigem Gelenk und einer riesigen Hand nach dem gesamten Kochschinken griff und ihn sich zur Gänze in den Mund schob. Der Schlaks hatte mittellanges fettiges Haar und ein paar blühende Pickel auf der kurzen Nase. «Dein Haar fettet aber ziemlich schnell», sprach ich ihn kühn an. «Yo, Men», antwortete der Schlaks und kaute ungerührt. «Es sind Pickel auf deiner Nase», erforschte ich ihn weiter. «Yeap, Daddy», brummte der Schlaks. Dann goss er sich noch zwei Liter Eistee in den Schlund, und zwar ohne zwischendurch zu schlucken. «Ich mach mal los», sagte der Schlaks und verschwand im Badezimmer, das hörbar verriegelt und dessen Verriegelung noch einmal hörbar auf seine tatsächliche Verriegeltheit überprüft wurde.
    Ich guckte meine Frau fragend an, und meine Frau nickte nur vielsagend. «Ich bin noch nicht so weit», klagte ich übergangslos, «sag ihm, dass wir beide beruflich sehr eingespannt sind und dass deswegen seine Geschlechtsreife um mindestens ein Jahr verschoben werden muss. Vorfreude, schönste Freude.» «Du musst ihn aufklären», mahnte meine Frau, «sag ihm einfach, was da geschieht und wie wunderschön das ist!» Ich warf mein Gesicht in die dazu bereitgehaltenen Hände und schluchzte: «Es war nicht wunderschön! Es war entsetzlich!»
    Meine eigene Pubertät wird heute noch in meiner Heimatstadt in einem Atemzug mit der großen Feuersbrunst von 1614, dem Busunglück am Eisenbahnübergang und anderen großen Katastrophen genannt, hier allerdings, ohne dass sich jemand daran im Einzelnen erinnern möchte. Zu Recht. Bei meinem ersten künstlich erzeugten, nichtsdestotrotz dann aber doch sehr überraschenden Samenerguss bin ich weggeknickt und habe mir am Couchtisch beinahe die Kniescheibe zertrümmert. (Abgesehen davon, dass sich das dazu benutzte Buch mit den erotischen Kupferstichen nie wieder an dieser Stelle öffnen ließ.) Beim ersten Küssen mit volle Pulle Zunge erlitt die dafür eigentlich sorgfältig ausgewählte Probandin einen Brechanfall. Beim um ein Haar ertappten Mathe-Nachhilfe-Nachmittagssex verwechselten die von mir hochverehrte Klassenbeste und ich in der Eile das Unterzeug, was ich allerdings erst später im Beisein unsensibler Kameraden im Umkleideraum des Sportclubs bemerkte und was für eine beträchtliche Zeit meiner Jugend jedem Kontaktanbahnungsgespräch in der Disco immer dasselbe öde Schema vorgab («Du bist Stefan Schwarz? Der mit dem Mädchenschlüpfer?»).
    Gut, ich habe es überlebt. Aber was soll ich davon meinem Sohn weitergeben? Und vor allem, wie und wann? Beim Angeln? («Tja, mein Jung, halt du jetzt mal die Rute   …») Beim Abwaschen? («Weißt du, es gibt nicht nur Spülmittel, sondern äh   …») Und warum muss das eigentlich der Vater machen? Reicht nicht der Schwiegervater? «Hat eigentlich dein Vater dich aufgeklärt?», fragte meine Frau. «Ich glaube, er wollte, obwohl, aber, nein, hat er nicht», antwortete ich zögernd. Meine Frau strich vorbei und klatschte mir auf den Gluteus maximus. «Vielleicht macht er’s ja noch», tröstete sie mich.

Die Hussen kommen
    «Die Frau wird schon ihre Gründe haben!», flüsterte die Nachbarin ihrem Mann zu, nachdem sie, mir kurz und heuchlerisch zunickend, auf der Treppe vorbeigekommen waren. Ich stand vor meiner Wohnungstür, und hinter der Wohnungstür stand – für alle durchs Glasfenster sichtbar – ein Schrank. «Schaaatz?» Keine Antwort. Ich rekapitulierte kurz mein Sündenregister. Konnte aber – wie immer – nichts finden. Aber das will nichts heißen. Frauen neigen zum Anstauen. Sagen Jahre nix, lächeln friedlich, und plötzlich sindse weg, und man erfährt erst vom Scheidungsanwalt, dass «Ihre klappernden Hausschuhe meine Mandantin in den Wahnsinn getrieben haben, dass sie es nicht länger ertrug, wie Sie überall Ihre Taschentücher in die Sofaecken knüllten, und dass Ihre Art und Weise, an der Wurst zu riechen, bevor Sie sie aufs Brot tun, verständlicherweise den rasenden Hass nicht nur meiner Mandantin,
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