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Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Titel: Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut
Autoren: Stefan Schwarz
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wegdrücktest, dieweil sie mit dem angestoßenen Bugspoiler deines Opel Kadett und deinem Kind auf dem Arm heulend mitten auf einer Hauptstadtkreuzung stand, und dessen Zeuge zu werden ich die Qual hatte. Du seist VERFLUCHT! Dein sich schon länger aus jedweder Memorierfähigkeit gekiffter Tätowierer soll sich bei der nächsten Rückensitzung im Vorlagenbuch vergreifen und dir statt des kreuzgefährlichen Gangsta-Tribal-Motivs ein Bild von Schnatterinchen und Pittiplatsch auf den Latissimus dauertuschen. Und Ersteres davon soll auf immer dein Spitzname werden in dem Kaff, in dem du wohnst. Das fluche ich dir.
    Nichtskönnerischer, lächerlicher, wahrscheinlich debiler, seniler oder zu juveniler Möchtegern-Fahrraddieb, der du erst vergeblich mein – übrigens sonst zum Absperren von NAT O-Munitionsdepot -Toren verwendetes – Kettenschloss aufzunadeln versuchtest und dann auch noch wütend statt gegen deinen eigenen Dummschädel gegen mein Vorderrad tratst, du sollst VERFLUCHT sein. Du sollst mit einem schon aufgrund seiner Körperhygiene zu Recht alleinstehenden Teilzeitbibliothekar, der auf richterlichen Beschluss wegen seiner Blähungen zum Arzt geschickt wurde, im Fahrstuhl stecken bleiben. Zusammenmit dem kaputten Müllbeutel des Sushi-Restaurants. Und einem geschlechtsreifen Kater. Und übers Wochenende.
    Mögen diese Flüche so lange ihre schädliche Kraft behalten, bis ihr selber den Tag verflucht, an dem ihr solche Schandtaten begingt. Allen anderen einen schönen Sommer!

Nieder mit dem Spaßbetteln
    Das Elend macht sich breit. Und zwar auf dem Packtisch vor meiner Kaufhalle. Der hiesige, riesige Chefalkoholiker hatte sich nach einer gewaltigen und für die meisten von uns wahrscheinlich tödlichen Morgenziehung da erst mal lang- und dann auch noch gleich mal eingemacht. Omas trippelten vorbei und schüttelten vor Abscheu oder Parkinson mit den Köpfchen. Das Personal blieb auf gewohnt gutmütige Weise untätig. Das sollte ich mich mal trauen. Ich würde gar nicht bis zum Einlullern kommen, da würden mich schon der Obstmann und der fleischige Fleischer auf drei über die Rabatten expedieren.
    Na ja, die Schwachen haben unser Herz und «…   vielleicht mal ä Euro zu erübrige?». Ein hagerer Mann mittleren Alters mit Rucksack verschattete die Ladekante meines Kombis, und ich merkte schon an seiner merkwürdigen Aussprache, dass er keiner der einheimischen Nuschelstruppis war. «Der Aussprache nach würde ich Sie der süddeutschen Obdachlosenszene zuordnen», redete ich ihn weltläufig an. «Welch überzogener Begriff von Nichtsesshaftigkeit hat Sie denn hierher verschlagen?» Er lachte herzlich wie jemand, der einst von seiner Firma vergeblich ein Seminar «Herzliches Lachen für Führungskräfte» bezahlt bekommen hatte, und erklärte launig, dass seine Aufmachung daher rühre, dass er jetzt im Urlaub einmal ohne alle Barschaften quer durch Deutschland wandern wolle.
    Meine Groschenhand vereiste. Ich lass mir doch meine Solidaritätsreflexe nicht antesten wie mit dem Gummihammer. «Sie tun also nur so, als hätten Sie kein Geld? Für so was hab ich aber gar nix übrig. Da werd ich mal auch nur so tun, als wenn ich Ihnen Geld geben würde   …» Das kann ich gerade leiden: Rollentausch, Schnupperidentitäten. Zehn Tage Nullpension auf vom ADAC empfohlenen Schnorrer-Routen. Merken, mit wie wenig man auskommt. Merken, was wirklich wichtig ist. Ganz bewusst Menschen kennenlernen. Alte Lieder singen. Aber nicht mit mir. Bei mir ist Spaßbetteln und Einfach-mal-so-Mitmenschlichkeit-Erleben verboten!
    Ich klappte ohne Vorwarnung die Ladeluke zu. Der Elendstourist prallte gerade rechtzeitig zurück. «Ja, sehe Sie sisch doch vor. Sie hätte mir beinah die Nas abgerisse   …» «Ohne Geld durch Deutschland ist ja kein Ding», sagte ich, «aber ohne Nase   … da könnense einen schönen Lichtbildervortrag für die Volkshochschule draus machen.»
    Der hiesige, riesige Chefalkoholiker war mittlerweile erwacht, hatte sich aufgesetzt und begann, ängstlich vorübereilende Knaben und Hunde mit «Du bist aber ein Guter, du bist ja ein ganz Guter!» anzulallen. Dabei geriet er aus dem Lot, rutschte vom Packtisch und torkelte, wie Isaac Newton es vor langer Zeit hatte kommen sehen, immer schneller werdend die Rampe herunter und umarmte, samt unreiner Hose, den Elendstouristen. «Wir beide zischen jetzt erst mal einen, mein Guter. Du bist dran mit Holen!», röchelte er den Mann ohne Barschaften monothematisch
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