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Ich haette dich geliebt

Ich haette dich geliebt

Titel: Ich haette dich geliebt
Autoren: Anne Haferburg
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am Straßenrand sah. Es kündigte die nächste Tankstelle an. Noch fünf Kilometer. Ich musste aufs Klo und mir war mittlerweile schlecht vor Hunger. Bei der Gelegenheit konnte ich auch gleich tanken.
    „Vorsicht, junge Frau, Ihre Hose. Sie stehen zu nah an der Zapfsäule!“
    Ein Mann im rotgelben Overall kam auf mich zu und schaute mich neugierig an. Ich fühlte mich nicht nach einer platten Konversation. Also nickte ich ihm so abweisend wie möglich zu.
    „Hab Sie noch nie hier geseh'n.“
    Der Tankwart hatte definitiv nichts zu tun. Ich war die einzige Kundin. Unwillig zeigte ich auf mein Nummernschild.
    „Ah so. Von um die Ecke, quasi. Da ist ja auch nischt los. Sind alle arbeitslos. Ich ja nich' zum Glück. Wo fahr'n Sie denn hin?“
    Ich musste mich ernsthaft zusammenreißen. Meine Nerven waren gespannt.
    „Ich habe noch ein Stück vor mir. Vielleicht können Sie mir helfen. Wo kann man hier in der Nähe etwas essen?“
    Der Tank war mittlerweile voll. Der Typ nahm den Schlauch und hängte ihn zurück an die Säule.
    „Mmmmhhh“, er kratzte sich am Kopf. „Naja, Sie könnten ein Stück weiter in diese Richtung fahren. In Prodendorf gibt es eine Gaststätte. Ist aber nicht besonders berühmt. Und unten am See gibt es ein Ausflugslokal. Aber die nehmen's vom Lebendigen. Teuer, kann ich Ihnen sagen. Ne schöne Bockwurst bekommen Sie bei uns. Zwei Euro zwanzig mit Brötchen.“
    Bockwurst. Hartmut Seewinkel kam mir in den Sinn.
    „Wie weit ist es bis zum See?“
    Während ich das fragte, dachte ich weiter über das Angebot mit der Bockwurst nach. Wie lange hatte ich schon keine Bockwurst gegessen? Mindestens vier Jahre. Das letzte mal mit Kai. Wir hatten uns ein Motorrad geliehen und herumgealbert wie Teenager. Das war eine gute Bockwurst.
    „Naja, halbe Stunde vielleicht, aber wie gesagt: Ist verdammt teuer.“
    Der Tankwart machte ein angewidertes Gesicht.
    „Danke, ich überlege es mir. Jetzt zahle ich erstmal, bitte.“
    „Dann kommen Sie mal mit rein. Ich mach hier auch den Kassierer.“
    Ich nahm meine Geldbörse aus dem Auto und ging ihm nach. Ich wollte eigentlich gar nicht essen gehen. Ein Gouda am Stiel und ein Baguette würden reichen. Wurde dieser geschmacksfreie Käse an Zahnstochern eigentlich extra für Tankstellen produziert? Diese Frage stellte ich mir jedes Mal.

    Ich brauchte genau drei Stunden, ohne mich ein einziges Mal zu verfahren. Wie in jeder anderen Stadt fuhr ich erst durch ein wenig anheimelndes Gewerbegebiet. Ein paar Bauzäune und hässliche Bürogebäude säumten die Straße. Ich fuhr dem Zentrum nach. Als ich die Reste einer alten Stadtmauer sah, suchte ich mir einen Parkplatz. Die Frau vom Bestattungsinstitut hatte mir genaueste Anweisungen gegeben, wo ich sie finden würde. Ich ließ den Zettel beiseite und ging intuitiv in die Fußgängerzone. Bis zu der Verabredung hatte ich noch zwei Stunden Zeit.
    Alles sah so aus, wie überall sonst. Die gleichen Schuhdiscounter reihten sich an die gängigen Kaufhäuser und Neunundneunzig-Cent-Shops. Auf der Straße flanierten Menschen entlang. Sämtliche Cafés hatten Stühle vor ihre Lokale gestellt. Ich setzte mich in ein Café ohne Plastikanmutung und bestellte einen Salat mit Thunfisch. Zu meiner Überraschung war der Thunfisch nicht aus der Dose, sondern frisch. Innen roh und außen scharf angebraten. Wie bei Willy. Ich schrieb ihm eine SMS.
    --Esse mal nicht bei Dir. Sie können's auch woanders.--

    Bevor ich Kai kennenlernte, hoffte meine Mutter immer, dass ich und Willy ein Paar würden. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass wir nur befreundet sein sollten. Ich war genervt, wenn sie mir mit ihren Lobpreisungen über Willy in den Ohren lag. Ich kannte ihn schon seit der zehnten Klasse. Sein Vater kam aus Algerien und seine Mutter aus dem Süden Deutschlands. Sie war Kindergärtnerin und fand Arbeit in unserer Stadt. So kam Willy im Alter von zehn Jahren in meine Klasse. Mit seiner großen Nase und dem dunklen Teint war er ein Außenseiter. Wir freundeten uns an, weil wir beide nirgendwo sonst dazugehörten. Ich war nicht unbeliebt, aber zu ruhig, als dass man mit mir hätte Pferde oder in Drogerien Lippenstifte klauen können.
    So wurde Willy mein einziger Freund, und ich weigerte mich gegen jede Andeutung, dass daraus mehr werden sollte. Natürlich konnte ich sehen, dass Willy mich anschmachtete.
    „Du brauchst geordnete Verhältnisse“, sagte meine Mutter oft. Am liebsten hätte ich sie daraufhin gefragt, wo denn ihre
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