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Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Titel: Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
Autoren: Peter Messner
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Holzwand liegen. Klock.
    Alle paar Minuten überkommt ihn nun ein unbändiger Durst. Klock. Er schraubt den Aludeckel auf. Krrtkrrtkrrt. Er trinkt. Gluckgluckgluck. Er schraubt den Aludeckel zu. Krrtkrrtkrrt. Er legt die Flasche zur Seite an die Holzwand. Klock.
    Das macht er wohl eine Stunde lang. Und ich kann nicht einschlafen. Ich habe inzwischen meinen Wanderknüppel fest in der Hand. Mangels Platz liegt der nämlich neben mir auf der Matratze. DasTeufelchen in meiner Seele erklärt mir immer wieder ganz genau, wie ich den Knüppel einfach in einer kurzen, halb-kreisförmigen Bewegung auf seinen Schädel niedersausen lassen könnte. Mit dem dicken Knauf voran. Verlockend. Für einen guten Pilger eine entwürdigende Gedankenfolge. Die zweite Nacht und schon solch unkeusche Ideen!
    Das Engelchen sorgt dann aber doch dafür, dass es beim festen Packen des Stockes bleibt und irgendwann schläft der Nervtöter ein, oder ich. Im Laufe der Nacht lausche ich dann wiederholt Pilgern mit Sextanerblase, Grunzern und Schnarchern, Klapperpilgern und einem, der im Schlaf redet. Was genau, kann ich nicht verstehen - vermutlich träumt er vom Einchecken in ein schönes Hotel. Die Klospülung rauscht, Betten ächzen mit den müden Wanderern um die Wette und ich bin dankbar - es könnte ja schlimmer kommen.
    Um fünf Uhr ist diese Nacht dann endgültig zu Ende, ich lächle - und es kommt schlimmer: Die Panikpilger im Saal fangen bereits an, im Halbdunkeln ungeschickt ihre Sachen zu packen und herumzurascheln. Den Geist des Verzeihens bringe ich all jenen entgegen, die mir mit salbungsvollen Worten einen „Guten Morgen“ wünschen. Hier haben wir alle noch eine Menge zu lernen. Nicht nur Gastlichkeit ist ein schöner Begriff, auch Rücksichtnahme.
    Pilgern soll ja entspannen und einen lächeln machen. Ich bin bereit. Martin und ich wollen um sieben Uhr starten. 23 Kilometer liegen vor uns.
    Ich erkenne: Pilgern bedeutet Schlafentzug .
    Die Bibel sagt dazu: „Ich bin so müde vom Seufzen; ich schwemme mein Bett die ganze Nacht und netze mit meinen Tränen mein Lager.“ Psalm 6.7 . Ich gestatte mir fortan, für jeden Tag ein stimmiges Bibelzitat herauszusuchen.

2. Tag von Roncesvalles nach Zubiri
    Das ist ein Tag der schmerzenden Füße und Beinmuskeln, wie erwartet. Heute machen sich Muskelkater, malträtierte Fußsohlen und belastete Gelenke ein Späßchen daraus, als lustiges Trio mal solo und mal im Einklang Schmerzempfindungen ans Gehirn zu schicken.
    Ich habe zum ersten Mal morgens nach dem Aufstehen den typischen Pilgergang drauf. Eine Mischung aus Humpeln, Eiern und Schwanken. Manchmal kann man nicht unterscheiden, ob man einen volltrunkenen oder einen schmerzbelasteten Pilger vor sich auf der Piste hat. Das Ganze bessert sich im Laufe der nächsten Tage spürbar, aber weg sind die Wackeleien auf den ersten Schritten nach dem Aufstehen nie wieder. „Du bist selbst schuld“,stelle ich sachlich fest und stelle mich in den Waschräumen zum morgendlichen Zähneputzen an. Bei Licht betrachtet ist das Leben ja viel unbeschwerter, wenn man einen Schuldigen gefunden hat. Aufs noch saubere Klo komme ich zum Glück sofort, denn auf ein nächtliches Rumgeistern hatte ich mit viel Körperbeherrschung verzichtet. Die Wäsche ist erfreulicherweise über Nacht getrocknet und landet wieder im Rucksack.
    Die heutige Etappe geht von Roncesvalles nach Zubiri. Die spanische Provinz heißt Navarra. Wir sind mitten im Baskenland. Werbung für Stierkämpfe klebt an den Mauern und wechselt sich mit Pelota-Stadien und aufgesprühten Freiheitsformeln ab. Die für unsere Augen fremden Pelota-Sportplätze dienen einem seltenen Ballspiel. Die anderen Europäer kämen vielleicht auf die Idee, hier Squash zu spielen. Die Pelotari schlagen mit einem schnabelförmigen Schläger aus Holz oder der blanken Faust den harten Ball gegen die Mauer. Möglichst so scharf, dass der Gegner ihn nach dem Zurückprallen nicht zurückdreschen kann.
    Martin hat zunehmend Probleme mit einer Sehne oder einem Muskel am Knie. So kann er kaum laufen, und mit Gepäck schon gar nicht. Er schickt seinen mörderschweren Rucksack also per Taxi vor und kann sein Knie entlasten. Vom Transport des Pilgergepäcks leben auf dem Camino inzwischen ganze Dynastien von Taxiunternehmen.Gut durchorganisiert liegen Umschläge in den Herbergen aus, in die man die acht Euro Transportgebühr steckt und seinen Namen und den Zielort draufschreibt, bevor man den Umschlag dann an seinem Rucksack
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