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Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Titel: Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
Autoren: Peter Messner
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Fukushima. Wir schweigen eine Weile schnaufend nebeneinander her. Dann erzählt er wieder fröhlich, dass er wohl besser auch in Orrison gestoppt hätte.
    Bei der nächsten Pause wünschen wir uns einen „Buon Camino“ - einen guten Weg. Der Pilgergruß wird mich noch tausendfach begleiten. Ebenso wie die fröhlichen und traurigen Lebensgeschichten der Caminohelden um mich herum.
    Um 15.30 Uhr komme ich nach gut 25 Kilometern bergauf und bergab mit dem Kanadier Martin ins Ziel. Er humpelt böse auf dem zweiten Pyrenäenpass herum, als ich ihn anspreche und frage, ob er Hilfe brauche. Er ist ein lustiger, offener Mensch, der viel zu erzählen hat. Der große, kräftige Kerl mit Vollglatze trägt eine beigefarbene Uniform, die an Pfadfinder erinnert. Stolz zeigt er die kunstvoll gestickten Wappen seiner Heimat und der franko-kanadischen Jakobsgesellschaft. Er hat sich irgendwie das linke Knie verdreht und außerdem eine hässliche Blase an der schlimmstmöglichen Stelle gelaufen: zwischen Ferse und Achillessehne. Das schmerzt und reibt bei jedem Schritt, unausweichlich. Trotzdem lacht er übers ganze, lange Gesicht undauch mit den Augen. Daran erkennt man sympathische Menschen, finde ich. Und ich bin zum ersten Mal froh, dass meine Füße und meine Schuhe mich in sympathischem Einklang verletzungsfrei voranbringen.
    Martin ist 54 Jahre alt und stellt sich als Hypnosetherapeut vor. Das hört sich interessant an. Der Mann hat ein bewegtes Berufsleben hinter sich: 17 Jahre lang war er Pilot, als er stressbedingt den Beruf aufgibt. Er studiert Hotelmanagement, lässt sich zudem zum Massagetherapeuten ausbilden, arbeitet einige Jahre in beiden Berufen, bis er endlich auf das stößt, was ihn wirklich interessiert: In Frankreich lernt er vier Jahre lang Hypnosetherapie. In seiner Heimat Kanada bietet er nun Therapiesitzungen für seine Kunden an -einzeln oder in Gruppen.
    Mit ihm lässt sich trefflich über Gott und die Welt reden. Wir harmonieren prima und fabulieren schon auf den ersten gemeinsamen Kilometern eine Menge lustigen Unsinn. Ich lerne eine Menge über Kanada und Nordamerika. Seine Erzählungen aus seinem Berufsleben skizzieren eine fremde Welt aus Psychotherapie und wundersamen Begebenheiten. Ich bleibe offener Skeptiker, wenn Martin berichtet, dass er und seinesgleichen beispielsweise Allergien dadurch heilen, dass sie in Hypnosetherapien unterbewusste und verschüttete Probleme lösen. „Es funktioniert“, weiß er aus seiner Erfahrung. Dass ich Schwierigkeiten mitunerklärlichen Phänomenen habe, macht ihm Spaß und spornt den Kerl nur noch mehr an, mir mit seinen Berufserfolgen die Augen für sein Metier zu öffnen. Wenn er dabei seinen hypnotischen Blick aufsetzt, lache ich mich tot - es klappt bei mir nicht, versichere ich ihm.
    Auf den baumlosen Höhen der Pässe wandern wir an weidenden Schafen und kurioserweise Pferden am Wegesrand vorbei. Bei 17 Grad zieht es wie Hechtsuppe auf 1200 bis 1400 Meter Höhe. Und ich nutze gleich am ersten Tag meine Regenjacke - zehn Minuten lang fisselt es aus einer niedrig hängenden Wolke auf mich nieder. Unterwegs treffe ich ein älteres Paar aus Australien - aus Perth - für ein wenig Smalltalk. Ich bin überrascht, so viele Leute aus Übersee! Hier scheint sich wirklich die halbe Welt zu treffen. Haben die keine eigenen Wanderwege? Der erste Isländer soll ja schon 1213 hier entlang marschiert sein. Ob er gefunden hat, was er suchte, ist allerdings nicht überliefert. Bestimmt haben ihn aber schon damals die sieben Pilgerplagen biblischen Ausmaßes heimgesucht: Schnarcher im Schlafsaal, Radpilger von hinten, Fliegen im Mund, Bettwanzen in der Matratze, unfreundliche Bedienungen, Essen erst spätabends und kategorisch bis 17 Uhr geschlossene Geschäfte. Der mystische Ruf des Weges verleitet allerdings viele Pilger dazu, darin nur einen Ansporn für entfesselte Zuversicht zu sehen.
    Das Ziel Roncesvalles erweist sich nach acht Stunden Marsch als nicht mehr als eine Ansammlung von einem halben Dutzend trutzigen Häusern aus Naturstein rund um ein gewaltiges, altes Augustinerkloster. Dass hier seit round about dem Jahr 1100 bereits Pilger betreut werden, sieht man den alten Schlafsälen sofort an. Die drei Hotels in dem Taleinschnitt sind ausgebucht - Bustouristen. Das fängt ja toll an. Gestern die rabiate Alte in der Pension und jetzt das.
    Ich komme mit Martin in der großen neuen Herberge des Klosters für zehn Euro Schlafgebühr unter. Dafür erwerbe ich das
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