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Ich habe die Unschuld kotzen sehen

Titel: Ich habe die Unschuld kotzen sehen
Autoren: Dirk Bernemann
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der ist Metallbauer und der Franky, der ist Maurer.
    Aber irgendwie sind wir alle trotz Arbeit und wegen unserer billigen, unakzeptierten, gerade mal so geduldeten Existenz völlig frustriert.  
    Gesellschaft formte unsere Wut und weil wir keine Ausweich möglichkeiten kennen, transportieren wir diese Wut in die Gesellschaft als Gewalt zurück. Ich bin der festen Meinung, dabei absolut legitim zu handeln. Und unser System, diese abgefuckte Staatsform De mokratie, ist doch eh fürn Arsch. Man gaukelt uns vor, dass alle gleich behandelt werden. Kann aber niemals hinhauen, weil wir alle schon so radikal unterschiedlich sind. Und Demokratie macht doch Menschen wie uns unmöglich. Aber eigentlich interessiert mich die scheiß Politik einen Dreck. Da habe ich aufgegeben drüber nachzudenken. Da verdienen sich Typen doof fürs absolute Rumgammeln und Nichtstun. Da kann man weder was gegen tun noch was dafür tun.
    Das ist einfach nur scheiße.
     
    Abgesehen davon habe ich Bock, irgendwer zu sein.
    Oder aber auch einfach nur irgendwer für irgendwen zu sein. Irgendjemandem was zu bedeuten. Nicht jedem Arsch hier egal zu sein, das wünsche ich mir. Und vielleicht Syndalas Liebhaber zu sein...
    Oh Syndala.
     
    Ich sah sie nur einmal, als ich mit den Jungs in so ‘ner Disco unterwegs war, aber das reichte aus . Die war ein Stück weiter weg von unserem Wohnghetto und von daher brauchten wir einen Idioten, der den Wagen lenkt. Nach einigen Diskussionen und sogar Gewaltandrohung von Seiten Frankys und Björns lenkte ich ein und schließlich den Wagen Richtung AssiDisco. Natürlich ist es scheiße, wenn sich deine Kumpels besaufen und du schaust nachher, wie du alle wieder einsammelst und sicher nach Hause kriegst. Aber dafür sind wir halt Kumpels.
     
    Auf jeden Fall sah ich an diesem Abend die Syndala zum ersten und bislang einzigen Mal. Wusste natürlich damals noch nicht, dass sie diesen wunderbaren Namen trägt. Mittlerweile habe ich mich ein wenig verändert, aber nur optisch.
     
    Also, ich stand so mit Kaffeebecher und Filterzigarette auf ‘ner Treppe rum und beobachtete von diesem Standpunkt aus die feiernde, teilweise total abgespacte Partymenschenmasse.
    Lichter und Geräusche machten mich nüchtern halb wahnsinnig.
    Ab und an sehe ich einen meiner Kumpels durch diese Szenerie huschen. Betrunken, unschuldigen Frauen nachstellend. Oder Partner oder potentielle Partner dieser unschuldigen Frauen mit Schlägen bedrohend.
    We are family ...
     
    Als mich gerade Zerrissenheit bedrohte, weil ich als scheinbar einziger Mensch in diesem Gebäude absolut keinen Spaß empfand, trat sie auf.
    Sie erleuchtete mein Umfeld. Zunächst sah ich sie gar nicht, sondern spürte einfach nur ein Energiefeld unter mir, das außerirdisch gute Düfte in die Atmo sphäre absonderte.
    Kam einfach so daher, dieses Mädchen, und setzte sich auf die Treppe, auf der ich stand.
    Ich bemerkte sie sofort, denn von ihr schien Magie auszugehen.
     
    Es war auf jeden Fall ein magischer Moment, den ich da erlebte. Unbeschreiblichkeit absolut. Sehen und sterben wollen vor lauter unaushaltbarer Erfüllung.  
    Und ich war sofort verliebt.
    Ich habe sie wahr genommen und musste sie seit diesem Moment dauerhaft anstarren.
    Blond, zierlich, absolut weiblich, natürlich und ihr Outfit schien zu sagen: Fuck you, Discodresscode.
    Ich war mir sicher, dass zwei Stufen unter mir die Mutter meiner ungeborenen Kinder Platz genommen hatte. Plötzlich sah sie zu mir hoch. Ihre langen Haare zuckten im fernen Laserlicht und ließen sie zu einer absolut außerirdi schen Erscheinung werden.  
    Ich sah in ihr kindliches Gesicht.
    Sie sah in mein erstauntes Arschgesicht.
    Stand dann auf. Ging auf mich zu. Sprach einen Satz, der ihren Namen enthielt. Ich musste zweimal nachfragen, bis sie mich anschrie: Syndala !
    Ich sagte ihr meinen Namen und sie nickte grinsend.
     
    Wir standen so auf dieser Treppe und unterhiel ten uns im typischen Discothekensmalltalk, den ich eigentlich verachte, weil die Inhalte einfach zu vertalkshowt sind. Mit ihr aber lohnte sich jeder auch nur halb verstandene Wortfetzen (Normalerweise gebrauche ich diese Kurzgesprächstaktik nur, wenn ich kurz darauf jemanden verprügel) ...
     
    Sie: Woher kommste denn?
    Ich: Vorort, 60 Kilometer von hier, Schmiegau.
    Sie: Scheiß Gegend. Haste mal Zigarette für mich?
    Ich: Sicherlich.
    ... suchend, sie kam mir bedrohlich nahe, Feuerzeug flackert auf, Engelserscheinung ...
    Sie: Erzähl mal von dir, was
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