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Ich greife an

Ich greife an

Titel: Ich greife an
Autoren: Iwan Koshedub
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saßen wir ganze Abende im Klassenzimmer. Einer bereitete eine Notiz vor, ein anderer schnitt Bilder aus und klebte sie auf. Es war warm und gemütlich.
    Nina Wassiljewna saß am Pult und korrigierte unsere Hefte. Wir arbeiteten leise, damit wir sie nicht störten. Ab und zu sprach sie nach einem Blick auf die Uhr: „Es ist schon spät, macht Schluß; ihr müßt noch eure Hausaufgaben erledigen!"
    Aber wir antworteten einstimmig: „Was wir einmal versprochen haben, halten wir auch."
    Die Lehrerin lachte, drohte uns mit dem Finger und nahm sich wieder ein Heft vor oder legte eine Pause ein, um uns einen Zeitungsartikel oder eine Erzählung vorzulesen. Sie las uns häufig Gedichte von Puschkin, Schewtschenko und Majakowski vor.
    Der Frühling zog ins Land. Nach dem Unterricht sagte Nina Wassiljewna einmal zu uns: „Kinder, laßt uns die Patenschaft über den Kolchosgarten übernehmen. In der Verwaltung sagte man mir, daß er in Ordnung gebracht werden müsse. Aber die Zeit ist jetzt knapp, denn die Feldarbeiten haben begonnen. Die Kolchosbauern wären uns sehr dankbar. Der Gärtner wird euch lehren, wie man die Bäume pflegt, und ich werde euch darüber etwas vorlesen. Seid ihr einverstanden?"
    Wir klatschten in die Hände: „Natürlich sind wir einverstanden, Nina Wassiljewna!"
    Die Lehrerin ging mit uns in den Kolchosgarten, wo sich in einem Schuppen Baummesser, Spaten und andere Gärtnerwerkzeuge befanden.
    Innerhalb weniger Tage war der Garten in Ordnung. Wir pflegten ihn den ganzen Sommer hindurch. Aber nicht nur diesen einen Sommer; von nun an halfen wir dem Gärtner jedes Jahr. Der Garten gedieh und erholte sich wieder. Als sich im Herbst die Äste unter der Last der gelben und roten reifen Äpfel bogen, als die Kollektivwirtschaft die Ernte einbrachte, war allen froh ums Herz.
    Wir gingen jährlich mehrere Male in den Sowchos, wo man uns stets sehr freundlich empfing: „Die Pioniere sind gekommen! Wir haben euch einen Imbiß bereitet - eßt und ruht euch erst ein wenig aus, dann geht's an die Arbeit!"
    Wir arbeiteten mit Begeisterung und wetteiferten um die Erfüllung der Norm. Der Tag verging rasch. Wenn wir von der Arbeit kamen, waren wir gewöhnlich müde, aber auch sehr zufrieden.
    Auf den endlosen Feldern, die mit Zuckerrüben, vollkörnigem Roggen und Hanf bebaut waren, in der freien Natur und unter der Sonne sammelten wir Kräfte und lernten, im Kollektiv zu arbeiten.
ICH WILL MALER WERDEN
    Seitdem ich nach meiner Flucht als Hütejunge in die Schule zurückgekehrt war, stellte Vater im Lernen immer größere Anforderungen an mich und prüfte täglich die Zensuren und die Hausaufgaben. Es kam auch vor, daß er zornig sagte: „Schreib die Übung noch einmal ab, du warst nachlässig!"
    Zuweilen mußte ich sie zwei- und sogar dreimal abschreiben.
    In der vierten Gruppe erhielt ich nach Beendigung eines Halbjahres in sämtlichen Fächern „ausgezeichnet".
    Als ich am letzten Schultag von der Schule nach Hause kam, erblickte ich auf dem Tisch bunte Postkarten. Ich betrachtete sie:
    „Woher und für wen sind die Karten, Vater?"
    „Für dich, für deine Erfolge! Zeichne sie ab! Ich habe dir auch Farben gekauft. Malyschok hat versprochen, dich zu unterrichten, wenn er seine dringenden Arbeiten erledigt hat. Na los, versuch's mal!"
    „Aber laß ihn doch erst einmal essen", schaltete sich Mutter ein. Ich aß rasch und setzte mich an den Tisch, um zu malen.
    „Mutter, komm mal her und sieh dir an, was er für ein schönes Pferd gezeichnet hat!" sagte der Vater.
    Er war zufrieden, ich übrigens auch.
    Mein Vater liebte die Natur, er kannte das Verhalten der Tiere und konnte auf Grund dessen das Wetter vorhersagen. Er dichtete Verse und hörte sich abends den Gesang der Mädchen an, die sich auf der Straße zusammengefunden hatten. Ihm gefiel es, daß ich alles malen konnte, was ihm so gewohnt war: das Haus, das Feld, den Hain und die Erde.
    Auf meine Zeichnungen war er stolz, obgleich er sich das nicht anmerken ließ. Wenn wir zu Besuch ins Nachbardorf fuhren, sagte er so ganz beiläufig:
    „Wo hast du denn die Bildchen, die du gestern gezeichnet hast, mein Söhnchen? Gib sie mal her!"
    Und er nahm sie als Geschenk mit.
    „Wenn du die Schule beendet hast, wirst du malen lernen", pflegte er häufig zu sagen.
    Ich gewöhnte mich an den Gedanken, daß ich Maler werden würde.
    Ich sah mir lange Malyschoks Bilder an, die die Wände des Klubs schmückten, und war erstaunt: von nahem waren sie nur bunte
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