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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
Autoren: J Karnick
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Naturstein, lagen auch im Wohnungsflur und in der Küche, sie waren schön, aber leider porös, also nicht badezimmertauglich. Für eine Familie mit zwei planschenden Kleinkindern wäre ein weniger schön designtes, dafür sachgerecht ausgestattetes Bad besser gewesen. »Muss alles neu!«, forderten die Exvermieter und wollten auf unsere Kosten ein neues Bad einbauen lassen.
    Beide Male mussten wir Anwälte einschalten, beide Male mussten wir am Ende nichts zahlen – außer dem Anwaltshonorar. Beide Male lösten die Geldforderungen unserer Exvermieter, solange sie bestanden, Verarmungspanikattacken bei mir aus. Ich notierte Zahlenkolonnen, ich aß nichts mehr, ich nahm jeweils mehrere Kilogramm ab. Genauso groß wie meine Angst vor Verarmung war meine Fassungslosigkeit darüber, dass manche Menschen (Vermieter) sich anderen Menschen gegenüber (Mietern) so unverschämt raffgierig und böswillig zu verhalten imstande sind. Beide Male fühlte ich mich wie ein ungerecht behandeltes Kind, ohnmächtig ausgeliefert der Willkür hartherziger Erwachsener. Beide Male hasste ich mich selbst dafür, dass ich mich so bereitwillig einschüchtern ließ.
    Die Wohnungsübergabe einer Bekannten endete damit, dass die Bekannte die Vermieterin »Sie blöde Kuh!« nannte, sie am Arm packte und aus der Wohnung bugsieren wollte, woraufhin die blöde Kuh eine Anzeige wegen Körperverletzung ankündigte. Wohnungsübergaben, darauf einigten die sonst friedfertige Bekannte und ich uns telefonisch, bringen das Allerschlechteste im Menschen hervor, auf beiden Seiten. Denn bei Wohnungsübergaben teilt sich die Menschheit in zwei Lager, in Großgrundbesitzer und Leibeigene. Die einen sind dazu verdammt, ihr Eigentum zu verteidigen, die anderen dazu, ihre Haut zu retten; die einen müssen herrschen, die anderen katzbuckeln – oder revoltieren. Ein Umgang auf Augenhöhe ist zwischen Vermietern und Mietern nicht vorgesehen.
    Unser netter Vermieter geht zum Außenwasserhahn, füllt die Gießkanne und gießt die große Hortensie. Ich frage mich, wie die Wohnungsübergabe laufen wird, wenn wir eines Tages aus seiner Wohnung ausziehen sollten. Ob unsere netten Vermieter dann weiterhin nett bleiben? Oder werden sie sich, wie so viele vor ihnen, in gnadenlos kritische und strafende Übereltern verwandeln? Ich spüre, wie mir bei dem Gedanken an die nächste Wohnungsübergabe vorsorglich beklommen ums Herz wird. Ich denke: Sollten wir eines Tages aus dieser Wohnung ausziehen, so wäre es großartig zu wissen, dass dies die allerletzte Wohnungsübergabe meines Lebens wäre.
    Als unser Vermieter ins Auto gestiegen und weggefahren ist, laufe ich zum Kiosk gegenüber und kaufe eine Zeitschrift. Ich kaufe die Zeitschrift Häuser , ein Architekturmagazin. Ich mache mir einen Kaffee und schaue mir Bilder von tollen Häusern an. Ich male mir aus, wie mein eigenes tolles Haus aussehen sollte. Häuser sind etwas für Erwachsene. Ich möchte endlich erwachsen werden, groß und stark, souverän und unabhängig: Nie wieder Angst vor dem Vermieter!
    Ich will auch ein eigenes Haus.

    Baunebenkosten inkl. MwSt.:
    Übertrag 9,52 €
    1 Zeitschrift Häuser 9,00 €
    Zwischensumme 18,52 €

Teil 2

Ein Haus mit großem Ideenverwirklichungspotenzial
    Das erste Haus, das wir kaufen wollen, ist das Haus, in dem wir zur Miete wohnen – das Haus mit der Kletterrose. Mein Mann lädt Onkel Rolf zu Kaffee und Erdbeerkuchen ein. Bevor Onkel Rolf Kaffee trinken und Erdbeerkuchen essen darf, muss er das Mietshaus begutachten. Während er Kaffee trinkt, erläutert er uns, welchen Wert das Haus seiner Meinung nach habe: »Nachkriegsbau, eher mäßige Bausubstanz, gute, aber keine sehr gute Wohnlage, nettes Haus, aber keine besonderen Details, schöner Garten, aber ein bisschen zu schattig, feuchter Keller, viel zu kleines Bad, Risse im Mauerwerk, renovierungs-, zum Teil sanierungsbedürftig.«
    Das Haus tut mir ein bisschen leid. Ich mag es. Dem armen Haus ergeht es genauso, wie es mir selbst ergeht, sobald mich jemand mit nüchternem, statt liebevollem Blick betrachtet: Siebzigerjahrebau, mäßige Bausubstanz, annehmbares, aber kein überdurchschnittliches Aussehen, netter Gesamteindruck, aber keine herausragenden positiven Auffälligkeiten, hübsche blaue Augen, ein bisschen zu pummelig, zu kleine Brüste, erste Falten in der Fassade, renovierungs-, zum Teil sanierungsbedürftig.
    »Wie viel Wohnfläche hat das Haus insgesamt, und wie viel Kaltmiete zahlt ihr?«
    Onkel Rolf zückt
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