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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
Autoren: J Karnick
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wenn irgend möglich – jegliche Kontaktaufnahme mit Menschen vermeidet, die nicht zu seiner Familie, zum Freundes-, Bekannten- oder Kollegenkreis gehören: Lieber verirrt er sich, bevor er Passanten nach dem Weg fragt, während ich viel lieber Passanten frage, bevor ich mich verirre. Ein Umstand, der vor Erfindung des Navigationsgerätes oft dazu führte, dass wir uns auf Autofahrten in unbekannter Gegend heftig in die Haare bekamen.
    Ich: »Da, halt mal an, der Herr, der weiß bestimmt, wo es hier Richtung Autobahn geht!«
    Mein Mann: gibt Gas.
    Niemals ruft mein Mann bei Hotlines an, um sich über irgendetwas zu beschweren, ich andauernd. Urlaube buche immer ich, weil man sich zu diesem Zwecke mit Hotelmitarbeitern, also mit Wildfremden, unterhalten muss. Sämtliche Wohnungen, die wir bisher gemeinsam bewohnt haben, hatte ich ausfindig gemacht. Wenn ich mich darüber beschwere, dass immer ich solche Dinge erledigen muss, sagt mein Mann: »Du bis nun mal die Außenministerin!«
    Doch nun, ein Haus ohne Makler in Reichweite, bricht mein Mann aus alten Rollenmustern aus: Ungefähr drei Minuten nachdem die Fußballbekannten uns von dem maklerfrei zum Verkauf stehenden Nachbarhaus erzählt haben, ruft er Frau Müller an, stellt sich vor und spricht mit ihr, als hätte er nie im Leben etwas anderes getan, als mit fremden älteren Damen zu plaudern. Er vereinbart einen Besichtigungstermin.
    Frau Müller will sehr viel mehr Geld für das Haus haben, als wir bereit sind zu zahlen. Frau Müller senkt den Preis, mein Mann erhöht unser Angebot. Als wir nur noch zwanzigtausend Euro auseinanderliegen, bewegt sich nichts mehr.
    Wenn man ins Spielkasino geht, empfehlen erfahrene Spielkasinobesucher, sollte man die EC - oder Kreditkarte zu Hause lassen, stattdessen einen Maximalbetrag festlegen, dessen Verlust zu riskieren man bereit ist – und exakt diesen Betrag in bar einstecken. Wenn das Geld weg ist, ist der Abend zu Ende. So schützt man sich und sein Geld vor sich selbst: »Och, nur noch einmal, nur zehn Euro, zehn Euro machen den Kohl nun wirklich nicht fett.«
    Vor Beginn der Verhandlungen hatten mein Mann und ich einen absoluten Höchstbetrag festgelegt, den wir auf keinen Fall überschreiten wollten. Diesen Höchstbetrag haben wir erreicht.
    »Nein«, sage ich, »das ist sowieso schon zu teuer, mehr zahlen wir nicht.«
    »Aber Frau Müller sagt, das ist ihr letztes Angebot, weiter runter geht sie nicht«, sagt mein Mann.
    Ich liege auf dem Sofa und sehe das Haus davonsegeln, in dem ich mich schon wohnen sah. Mein vager Hauswunsch hat sich in den letzten Tagen in eine sehr konkrete Hausgier verwandelt – und Gier, das weiß man, ist das Einfallstor für den Teufel, der einen in Versuchung führen will. Wenn wir das Haus nicht kaufen, flüstert mir der Teufel ins Ohr, kaufen wir vielleicht niemals ein Haus. In unserem Stadtteil werden nur wenige Häuser verkauft. Entweder keiner will sie, weil sie zu klein oder zu hässlich sind. Oder keiner kann sie bezahlen, weil sie zu groß und zu schön sind. Oder alle wollen sie, weil sie ganz hübsch, ausreichend groß und bezahlbar sind. Wenn es noch Jahre dauert, bis wir ein Haus finden, lohnt sich das Haus gar nicht mehr, dann ziehen die Kinder schon bald aus.
    »Oder sollen wir noch mal zehntausend drauflegen?«, frage ich. »Zehntausend machen den Kohl nun wirklich nicht fett!«
    »Nein, nein, nein«, sagt mein Mann, »das Spiel ist aus.«
    Ein paar Tage später buchen wir einen Skiurlaub.
    Frau Müller übergibt das Haus schließlich doch einer Maklerin. Auch die Maklerin findet lange keinen Käufer, der den geforderten Preis zahlen will. Wochen, Monate vergehen. Ein Vierteljahr später erfahren wir von den Nachbarn: Der einzige ernsthafte Interessent ist kurz vor dem Notartermin abgesprungen. Mein Mann ruft wieder bei Frau Müller an und sagt, dass wir nach wie vor an dem Haus interessiert seien.
    Frau Müller sagt: »Da müssen Sie mit der Maklerin sprechen, die macht das jetzt alles.«
    Die Maklerin schickt uns das Maklerexposé zu, in dem das Haus, das wir längst kennen, so beschrieben wird: »Charmante Kaffeemühle – verwirklichen Sie Ihre Ideen!« Irgendetwas muss sie ja tun für ihr Geld.
    Das Haus ist 1932 gebaut worden und steht auf einem fünfhundertsiebenundfünfzig Quadratmeter großen Grund stück, der Garten liegt Richtung Süden. Es besteht aus einem Hochkeller, einem Hochparterre, aus einem Obergeschoss und einem zur Hälfte ausgebauten Dachboden. Es
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